Hermann
Kahle, Hamburger Lehrer Zeitung
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Wolf-Dieter
Vogel, Hoch lebe die plakative Solidarität ..., Süddeutsche
Zeitung vom 28. Februar 2000 |
Ohne
Namen, vorwärts bis zum nieder mit, Links/Rhein Medien | Konstanz
|
Bernd
Hüttner, Contraste, Plakate autonomer Bewegungen |
Ohne
Namen, Autonome grafik
Publishing Praxis (Ostfildern) |
Ohne
Namen, Vorwärts bis zum nieder mit ...
Phase 2 (Zeitschrift gegen die Realität / Leipzig) |
Sonja
Tammen , Unsere Zeit (Essen) |
Christof
Meueler, Flutschige Parolen
junge Welt (Berlin) |
Tobias
Nagl, Visionen unkontrollierter Bewegungen, taz Hamburg |
Uwe
Kurzbein, Graswurzelrevolution (Heidelberg) |
Anne,
Rezension HKS 13 , Conne Island - CEE IEH / Newsflyer (Leipzig) |
marius
schiffer, 30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen, Bochumer Studierendenzeitung |
Ohne
Namen, Spirit of Resitance |
Ohne
Namen
Silberfisch Stadtmagazin Magdeburg |
Joachim
Schneider, Das Poster zum Kampf
Freiburg |
Michael
Krämer, 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen, Lateinamerika
Nachrichten (Berlin) |
cg,
Agit - P(r)op / Wie ist es in diesen unpolitischen Zeiten ums politische
Plakat bestellt? PAGE (Hamburg) |
Michael
Gassmann, Der Kampf der Schönheit mit der Politik / Die BRD und
ihr Protestplakat / FAZ |
ak
- analyse & kritik, Gespräch mit Kerstin Brandes und Sebastian
Haunss über das Buch "hoch die kampf dem", (Hamburg) |
Gottfried
Oy, Drucken, Klauen, Kleben ...Eine Kulturgeschichte politischer Plakate
/ Frankfurter Rundschau |
Klaus
Viehmann, Anplacken!
in Freitag / Berlin |
Hagen
Sechshundert Plakate, Gegenwind (Kiel) |
Ohne
Namen , ...Die Neuauflage des Plakatbuches ist nicht nur ein quantitativer
Fortschritt / CEE IEHNewsflyer (Leipzig) |
|
Jochen
Knoblauch, Contraste (Heidelberg) |
Patrick
Hagen, Unkontrollierte Plakate
philtrat (Köln) |
Jochen
Knoblauch Interview mit Klaus Viehmann Den Mauern einen Sinn geben |
Lena
Schwarzkopf, Vorwärts bis zum nieder mit, kassiber 49 (Bremen) |
Interview
von Jochen Koblauch mit Tommi Krippner, Von zahmen und wilden Vögeln
|
Martin
Raasch (raa) ...
in UnAufgefordert (StudentInnenzeitung der Humboldt-Uni Berlin)
|
Arranca
LAYOUT-Crew, HKS 13 (Hg) Hoch die Kampf dem (Berlin) |
Michael
Schäfer, Marx, Engels und Lenin selbdritt /Göttinger Tageblatt |
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Hermann
Kahle
Rezension in der hlz (Hamburger Lehrer Zeitung) Nr. 12 / 1999, S. 28
Auch
wer die letzten 30 Jahre politisch eher verschlafen hat, war mit einer
Äußerungsform der politischen Bewegungen ständig konfrontiert:
Dem politischen Plakat. Die Herausgeber des Buches "hoch die kampf
dem" schreiben es so: "Mit den neuen politischen Bewegungen
entwickelte sich eine völlig neue Plakatkultur".
Die Anzahl der Plakate vervielfältigte sich mit den Anlässen,
für die sie mobilisierten ... Die vielen politischen Plakate waren
neben Werbung und Konzertankündigungen aus den Innenstädten
nicht mehr wegzudenken und alte Fotos aus den 50er und 60er Jahren, die
die leeren Wände der Städte zeigen, wirken heute seltsam fremd."
Das vorliegende Buch ist eine historische Dokumentation über einen
Bereich der jüngsten Geschichte, der so umfassend und kritisch kommentiert
bisher nicht dargestellt wurde. Die Herausgeber fassen den Begriff der
undogmatischen linken Bewegungen sehr weit, die Kapitel nach denen die
Sammlung gegliedert ist, reichen von der Anti-AKW-Bewegung bis zur Solidaritätsbewegung
mit den politischen Gefangenen. Die Reproduktionen - und das ist Empfehlung
Nr. 1. Für dieses Buch - sind ausgezeichnet. Die einzelnen Kapitel
werden von verschiedenen Autoren durchaus unterschiedlich kommentiert..
Die Herausgeber weisen auf die Problematik der Teilbereichsbornierheit
dieser Politikbetrachtungsweise hin. Das bringt den Beiträgen andererseits
aber auch hohe Authentizität. Die Beiträge sind selbstkritisch
und häufig hochaktuell. (Und das ist Empfehlung Nr. 2.) Die Herausgeber
schreiben in ihrer Einleitung im Abschnitt Plakat und Buch: "Eine
(nachträgliche) Reflexion eines Abschnitts dieser Geschichte autonomer
und linksradikaler Bewegungen, deren teil wir waren und bleiben wollen",
ist der erste Zweck dieses Buches. Hat es auch einen >romantischen
Gebrauchswert<?. Natürlich. Vor allem ist es ein schönes
Geschenk für alle, die nichts an den Weihnachtsmann glauben. zum
Anfang
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Bernd
Hüttner
Plakate autonomer Bewegungen"
in Contraste vom Nr. 183 / Dezember 1999
Die
Autonomen sind vorbei, sie sind zum Bestandteil der Geschichte sozialer
Bewegungen geworden. Seit einigen Jahren ist (deshalb?) ein Boom an Geschichtsliteratur
zu den Autonomen zu verzeichnen, der dem einschlägigen Marktsegment
einige Bände mit Dokumenten (etwa der Revolutionären Zellen
oder RAF) und Geschichtsbücher (zur Geschichte der Autonomen, aber
auch zu der der Anti-AKW-Bewegung) beschert hat. Mit "hoch die kampf
dem" liegt nun einen beeindruckende und schön aufgemachte Dokumentation
über Plakate linksradikaler und autonomer Bewegungen aus über
zwei Jahrzehnten vor. Plakate einzelner Teilbereichsbewegungen, wie etwa
Häuserkampf-, Internationalismus-, Anti-AKW- oder Antifabewegung
werden abgedruckt, kommentiert und als ein in Einschränkungen brauchbares
Spiegelbild dieser Bewegungen (und ihrer Veränderungen) verstanden.
Des weiteren werden die Plakate politischer Strömungen. Wie etwa
die an der RAF orientierten und heute fast ausgestorbenen Antiimps oder
zu bestimmten Anlässen, wie etwa dem (revolutionären) 1. Mai
dokumentiert. Vertiefungen gibt es an der auffallend häufigen Verwendung
von Kindern als Motiv auf autonomen Plakaten und zur grundsätzlichen
Wirkung und Wahrnehmung von Plakaten und ihrer Produktion.
Das Buch ist durchgehend vierfarbig gedruckt und es ist nett darin zu
blättern. Die einzelnen jeweils von verschiedenen Autorinnen verfassten
Kapitel sind aber von unterschiedlicher Qualität: Einige wirken etwas
lieblos heruntergeschrieben (etwa der Beitrag zu antimilitaristischen
Plakaten) während andere ausführlich auf die Problematiken der
betroffenen Bevölkerung eingehen. Der Beitrag der Internationalismusbewegung
diskutiert z.B. sehr selbstkritisch die einfache Weltsicht dieser Bewegung
und auch ihre Projektion der hier nicht aktuellen Revolution nach Mittelamerika.
Die Plakate der autonomen Frauen-Lesbenbewegung vollziehen den Verfall
des kollektiven Subjekts "die Frau"" das sich nach der
Rassismus- und Differenzdebatte "auflöste" nach. Insgesamt
ist das Buch ein Bilderbuch im engeren Sinne des Wortes, mensch nimmt
es nach der Lektüre kaum noch mal zur Hand "arbeiten" lässt
sich mit ihm nicht.
Das bei älteren unwillkürlich auftretende Schwelgen in Erinnerungen
beim betrachten der Plakate verbleibt aber privatistischer Konsum und
animiert nicht zur Kritik der Verhältnisse. Der Grundtenor des Buches,
was seine Kritik an der Bildpolitik historischer autonomer Bewegung angeht,
hat einen schalen Beigeschmack. Das eingeschränkte symbolische Repertoire
der autonomen Antifa und anderer (Faust, Stern, Fahne ...) zu kritisieren,
ist nicht besonders neu. Heute schlauer zu sein als sagen wir 1986 oder
auch 1990, ist wahrlich keine Kunst. Hinterher ist man immer schlauer.
Interessant ist doch, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Jenseits
dessen, dass sich einige autonome Plakatgestalterinnen mittlerweile in
Internet-Design, visueller Kommunikation oder anderweitig als Bestandteil
des Medienkapitalismus selbständig gemacht haben dürften und
ihre Brötchen verdienen, herrscht zu den politischen Perspektiven
auch im Buch gähnende Leere.
Dem Band ist eine CD-Rom beigelegt, die fast 3.000 Plakate enthält,
die komplette Plakatsammlung des Hamburger Archivs der sozialen Bewegungen.
Die Plakate können in einer Suchfunktion über Jahreszahlen,
Orte, aber auch frei wählbare Stichworte abgefragt werden. Das Suchprogramm
ist relativ simple zu bedienen und braucht als Systemvoraussetzung mindestens
Windows 95.
zum
Anfang
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Sonja
Tammen
20 Jahre Plakate der autonomen Bewegung "hoch die kampf dem"
in unsere zeit - Zeitung der DKP vom 3. Dezember 1999
Wo sind sie hin, die Demonstrantinnen und Demonstranten autonomer Bewegungen,
die scharenweise durch die Straßen ziehen gegen den imperialistischen
Krieg, die Nazis und AKWs, für Frauenrechte, die politischen Gefangenen,
besetzte Zentren und das Bleiberecht für MigrantInnen?
Heute sind Massendemonstrationen solcher Art fast schon Geschichte, obwohl
es nach wie vor genügend Gründe gibt, auf die Straße zu
gehen. Längst vergessene Plakate zeugen von früheren Demonstrationen,
von Veranstaltungen, Solipartys und Diskussionen. Fast 3 000 dieser Plakate
hat die Gruppe HKS 13 für das Buch "hoch die kampf dem - 20
Jahre Plakate autonomer Bewegungen" aus öffentlichen und privaten
Archiven gesammelt. Rund 600 davon sind in perfekter Qualität in
dem Buch abgebildet. Diese und der Rest der umfangreichen Sammlung finden
sich zudem auf einer CD-ROM, die dem Buch beiliegt.
Vielfältiger
Kampf für ein gerechtes Leben
Unterteilt in die verschiedenen Strömungen, die die autonomen linken
Bewegungen zu bieten haben, von autonomer Frauenbewegung und Antiimps
über Antifas, Antiras, Antimilitarismus und Anti-Akw, werden Plakate
aus den letzten 20 Jahren gezeigt, analysiert und die Ziele der politischen
Bewegungen veranschaulicht. Die meisten der Plakate kommen aus den linken
Hochburgen wie Berlin, Göttingen und Hamburg. Auch aus Bremen, Frankfurt,
Wuppertal und anderen westdeutschen Städten sind Exemplare vertreten,
während Plakate aus Süd- und Ostdeutschland leider kaum zu finden
sind. Statt dessen gibt es Highlights aus Moskau und Milano.
Zahlreiche Autoren und Autorinnen beschäftigen sich in dem Buch mit
den Ausdrucksformen von Plakaten und den Absichten ihren Macherinnen.
Nicht immer sind die Beiträge ausgewogen, Subjektivität ist
erwünscht, und der ein oder andere Ausruf der Empörung lässt
sich beim Durchlesen des Buches schwer vermeiden, wenn man selbst im einen
oder anderen dieser politischen Bereiche aktiv war oder ist. Denn die
in dem Buch vertretenen Sichtweisen sind (nahezu) so vielfältig wie
die der politisch Aktiven. Aber eins leisten die Artikel bestimmt: Sie
regen zum Denken an.
Sinn
und Unsinn von Plakaten
Plakate sind die meist flüchtigen Begleiter der Bewegungen, kleben
an Häusern, Stellwänden und Bauzäunen. Sie dienen der Kommunikation,
der Propaganda, der Selbstdarstellung, Information und Mobilisierung.
Manche kleben nur wenige Stunden, bevor sie von der Polizei oder staatstreuen
Bürgern aus Gründen der Illegalität abgerissen wurden.
Andere sind monatelang, verwittert und zerrissen, zu sehen.
Oft dienen die Plakate einzig der internen Mobilisierung, auch wenn sich
die Herbstellerinnen dies meist anders gedacht haben. Denn für außenstehende
Bürgerinnen und Bürger sind die Plakate oft unverständlich.
Wenn zum xten mal zum Tag X aufgerufen wurde, alternativ auch zum Tag
Z, hat Frau Meyer von nebenan sicher Verständnisprobleme. Wenn wie
bei den Plakaten von Kunst und Kampf (KuK) der Antifa M aus Göttingen
heroische Antifaschisten mit Helmen und männlichem Imponiergehabe
gegen die Neonazis in den Kampf ziehen, hat das sowohl für Frau Meyer
als auch für viele autonome Feministinnen eine eher abschreckende
als mobilisierende Wirkung.
Kurze
Geschichte der politischen Plakate
Die Geschichte der politischen Plakate lässt sich bis zur französischen
Revolution zurückverfolgen. Damals wurden Plakate zur allgemeinen
Bekanntmachung an die Hauswände der Städte geklebt. Friedrich
Engels schrieb den Plakaten während der März-Revolution 1948,
"die jede Straßenecke in eine große Zeitung verwandeln,
in der die vorbeikommenden Arbeiter die Tagesereignisse verzeichnet und
glossiert (...) und debattiert finden", die Eigenschaft zu, die "revolutionäre
Leidenschaft unter den Arbeitern lebendig zu erhalten" (Friedrich
Engels 1849, MEW Bd. 6, S. 440).
Produktionsbedingungen und Qualitäten diesem Jahrhundert nutzten
in Deutschland bis in die 60er Jahre vor allem die Sozialdemokratie und
der politische Katholizismus die großformatigen Zettel, um die Stimmen
der Wählerinnen zu gewinnen. Erst mit den Studentenrevolte 1968 wurde
bei parteipolitisch unabhängigen Gruppierungen an frühere revolutionäre
Vorstellungen angeknüpft und zunehmend auch aus dieser linksradikalen
Richtung politische Plakate hergestellt.
Die Bewegungsplakate entstanden und entstehen meist unter finanziellem
und zeitlichen Druck. Geld ist immer knapp in der linken Szene, und die
nächste Demo schon übermorgen. So sind die Mehrzahl der Plakate
keine Kunstwerke, doch einige Gruppen wie die bereits erwähnte KuK
aus Göttingen und die Gruppe Druck & Propaganda aus der Hamburger
Roten Flora nutzten bei der Herstellung ihrer Plakate einen theoretischen
Hintergrund, der in unterschiedlichen Ausformungen zum Ziel hat, politisch
sinnvolle Plakate zu produzieren. So knüpft die Gruppe KuK mit ihren
Plakaten an die linke Symbolik der 20er und 30er Jahre an. Erhobene Fäuste,
Massenaufmärsche und das Logo der "Antifaschistischen Aktion"
sind typische Attribute. Die Plakate von Druck & Propaganda hingegen
sollen mit ihrem vordergründig oftmals unpolitisch wirkendem Layout
die Betrachterinnen eher hintergründig zum Denken anregen.
In den meisten Fällen ungewollt sind die Plakate ein Spiegel ihrer
Zeit. Wurde auf antiimperialistischen Plakaten zum Beispiel lange gern
von "Volk" gesprochen - mal das palästinensische, mal das
kurdische - scheint dies heute durch die Einflüsse der antirassistischen
Bewegung (nicht nur der autonomen) und ihrer Sensibilität gegen nationalsozialistisch
geprägtes völkisches Denken weitgehend marginalisiert.
Die Vielfältigkeit und Anzahl der Plakate, die an Mauern und Hauswänden
zu sehen sind, hängt nicht nur von der Vielzahl von kritisch denkenden
Linken ab, sondern auch davon, wie viel Mut sie aufbringen, ihre plakativen
Inhalte illegal in Nacht und Nebel-Aktionen zu verkleben. So war es immer
persönlich gefährlicher, Plakate für politische Gefangene
und gegen Isolationshaft in der BRD zu verkleben als für Plakate
gegen rassistische Politik, die oftmals auch von humanistisch geprägten
Menschen nachvollziehbar ist.
Kreativer
Ausblick in linke Produktivität
Das Plakatbuch ist ein liebevoll ausgesuchtes politisches Bilderbuch linksautonomer
Zeitgeschichte, das politische Entwicklungen in Deutschland reflektiert.
Es ist auch für interessierte Menschen lesenswert, die mehr über
die weit verzweigten Strukturen der autonomen linken Bewegungen erfahren
wollen. Und wer selbst noch zu den aktiven Plakatesmacherinnen zählt,
bekommt in diesem Werk jede Menge Anregungen über Grafik, politische
Darstellungsformen und Orte, an denen die Plakate relativ lange hängen
bleiben.
zum
Anfang
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Uwe
Kurzbein
Rezension in der Graswurzelrevolution Nr. 246 / Februar 2000
Was
haben sie sich dabei gedacht, die politischen Plakate, die scharfe Waffen
sein sollen, Agitation von einsamen Kleberinnen an regennassen Häuserecken
in Eile schief hingepappt, unter ständiger Angst, entdeckt zu werden,
mit flatterndem Herzen diese Konspiration durchlitten, diese Plakate,
von Wind und Regen gegerbt, vergilbt, verdreckt, die Plakate, die allesamt
Ausdruck tatkräftiger Aktionen sind, diese Plakate reinzuwaschen
und als Kunstwerk in einen Katalog zu packen, sie als schöne Bilder,
als Wandschmuck zu missbrauchen, legalisiert, gezähmt, die scharfen
Zähne gezogen. Was haben sich die Verfasserlinnen dabei gedacht?
Mit
einem Aufruf angefangen
Die Verfasserlinnen sind eine Menge Frauen und Männer, die vor längerer
Zeit einen Aufruf in der Republik zu diesem Projekt gestartet haben, um
möglichst viele Plakate der letzten 20 Jahre zusammenzutragen. Eines
liegt bei solchen Büchern klar auf der Hand: Die Macherinnen haben
mit viel Engagement die Plakate zusammengetragen und mit finanziellem
Risiko dieses Buch produziert. Um es vorweg zu nehmen, das Engagement
hat sich gelohnt. Als ich es in die Hand nahm, war ich sehr angenehm überrascht.
Es ist handwerklich vorzüglich gemacht, sehr ansprechend, das Outfit
mit Witz, die Plakate sehr fachgerecht und grafisch sehr überlegt
zusammengestellt. Es sollte, schon so der erste Eindruck, in keinem eichernen
Bücherschrank fehlen.
Dennoch, es ist ein typisches Szenebuch, bei dem ich allerdings den heimlichen
Verdacht habe, dass es sich in den offiziellen Büchermarkt am Bahnhofskiosk
hineinschlängeln soll. Es wird nicht gelingen. Ein Buch für
Kämpferinnen, für Oldies und Träumerinnen, für Polizei
und Verfassungsschutz. Das Buch ist nichts für Leute, die von linker
Politik keine Ahnung haben, oder die mit linker politischer Geschichte
nichts zu tun haben wollen, und auch nichts für Leute, vor denen
ich meinen Filius immer gewarnt habe. Es ist ein Buch für Kämpferinnen,
für Oldies und Träumerinnen, die sich bei den Demos die Ohren
abgefroren haben, für Leute, die Plakate machen, denn sie können
hier vieles lernen. Es ist auch ein Buch für die Polizei und den
Verfassungsschutz, weil sie hier eine gute Übersicht über linke
politische Propaganda bekommen, ein Nachschlagewerk gewissermaßen.
(Wenn sie nicht ohnehin besser informiert sind.) Es ist ein Buch für
die Ossis, damit sie sehen können, wie der politische Widerstand
im Westen den Kapitalismus und andere Sachen bekämpft hat. Gab es
denn eigentlich keine Ost-Plakate während der Revolution? Egal, es
ist ein Westbuch.
Hoch
die Tassen, Kampf der Arbeit
Jetzt aber näheres zu dem Buch! Die äußere Aufmachung
ist gewichtig, und deutet auf einen wichtigen Inhalt. Nun 20 Jahre Plakate
auf einem Haufen wiegen einiges. Im doppelten Sinn. Der Einband ist fest
und hart. Mit seinem ungewöhnlichen Format steht es weit aus meiner
Bücherreihe heraus, womit ich meine, dass die Verfasserlinnen schon
möchten, dass ihr Werk an einem zentralen
Platz steht, auf einem Altar gewissermaßen, meinem politischen,
auf dem sich bereits einige Granit-Pflastersteine, rote Fahnen, mein schwarzer
Helm und anders Zeug angesammelt hat. Mein Museum. Das ist dieses Buch
in erster Linie, bevor anderes zum Vorschein kommt. Der Titel deutet auf
längst Vergangenes hin und soll eigene Erinnerungen assoziieren:
"Hoch die, Kampf dem". Bei mir ist gleich ganz unpcmäßig
gekommen: hoch die Tassen, Kampf der Arbeit, womit ich mich in die Schlange
der auf vielen Plakaten inhaltlich wirklich blöden und nicht zu Ende
gedachten Parolen einreihe.
Der Titel ist die erste Prüfung der Käuferin, denn sie entlarvt
sich mit der ihr kommenden Assoziation und darf sich auf die Schulter
klopfen: "Ja wir damals, weiß Du noch", oder sich schämen,
so wie ich, der ersteinmal ans Feiern und Faulenzen denkt. Die Verfasserlinnen
haben sicherlich mehr die Assoziation im Sinn: Hoch die Fahne, Kampf dem
Kapitalismus, oder Hoch die internationale Solidarität, Kampf dem
Imperialismus. Der eine so. Die andere so, mit dieser ersten politischen
Selbstbestimmung darf das Buch getrost, beruhigt aufgeschlagen werden.
Die
Plakate sind nach Themen gegliedert, die jeweils mit einem kommentierenden,
kritischen oder auch weiterführenden Text versehen sind. Diese Aufteilung
entspricht etwa dem "Teilbewußtsein", des sogenannten
teilpolitischen Widerstandes: Antifaschismus, AKW-Widerstand, Freiheit
für alle politischen Gefangenen. Solidarität mit den Befreiungsbewegungen
in der Welt, Frauenkampf und Häuserkampf, Antirassismus, Landebahn
West und was es sonst noch alles gibt. Damit wird meines Erachtens auf
ein Problem der politischen Szene hingewiesen, nämlich sich nicht
als Ganzes zu begreifen, als autonomer, freiheitlich denkender Mensch,
der ganzheitlich Widerstand leistet. Um diesen Gedanken weiterzuführen,
muß er nicht den Widerstand als das erkennen, was er ist, nämlich
Reaktion auf bestehende Verhältnisse.
So kommt er nicht in Versuchung, eigene, weiterreichende Visionen zu entwickeln
und leben zu müssen. Ich hätte von dieser Sortierung abgeraten,
und eher versucht, chronologisch die Bilder den Ereignissen zuzuordnen
und nicht umgekehrt, wie die Verfasserinnen es gemacht haben. Wer sich
die Mühe macht, die Autorinnen durchzusehen, wird erfreut feststellen,
dass entsprechend dem pc- Mainstream wesentlich mehr Frauen zum Zuge kommen
als Männer.
Es
ist ein Stadtbuch
Es ist ein Stadtbuch. Ich lebe seit 1980 auf dem Lande. Mir sind deshalb
allerhöchstens eine Handvoll der Plakate zu Gesicht gekommen und
die, die wir auf dem Lande verklebt und gemacht haben, fehlen, auch deshalb,
weil für mich das Plakat nach der Aktion in den Archivordner kam,
und der mittlerweile verstaubt irgendwo im Keller liegt. Die Landplakate
hatten stets auch nur eine einfache Bedeutung, nämlich zu einer Aktion
aufzurufen, und nicht, wie es doch auch in dem Buch beschrieben ist, eine
Grenzziehung, eine Markierung des eigenen Kiezterrains zu sein, gewissermaßen
so, wie ein Hund überall hinpinkelt. Wer wissen will, was politisch
auf dem Lande abgeht, sollte sich das Kommunebuch kaufen, was ich übrigens
sehr empfehlen möchte. Aufgrund dieser Entscheidung, die Plakate
zu Themen zusammen zuordnen, ist eine Chronologie schwer zu erkennen.
Aber das wäre sicherlich auch nur für die analytischen Kunstkritikerinnen
interessant, nämlich herauszufinden, wie sich die Plakatkultur, die
Bedeutung im Laufe der Zeit verändert hat. Im ersten Artikel wird
dem nachgegangen, ein wichtiger und interessanter Einschub, Es ist ein
Bilderbuch, und beim ersten Durchblättern scheinen die Bilder, nämlich
die Plakate kein Ende zu nehmen. Es regt daher an, das Buch vor dem Schlafengehen
aufzuschlagen, sich ein Plakat zu nehmen, das wegen der hier gezeigten
"Verortung" gar kein Plakat mehr ist, und in seinen Erinnerungen
träumend zu schwelgen. Das werden sicherlich auch viele tun, anders
ist das Buch auch gar nicht zu bewältigen.
Geschichten,
Berichte, Aufsätze
Allerdings sind in dem Buch ja nicht nur Plakate abgebildet, sondern auch
Geschichten, Berichte, Aufsätze zu den Inhalten, zu der Herstellung,
zu den Diskussionen. Und diese Aufsätze sind meines Erachtens das
Wichtige an dem Buch. Sie vermitteln einen Einblick in die Stadtszenerie,
der das Buch auch für mich auf dem platten Lande interessant macht.
Schade, dass der Text kleingedruckt ist, denn durch den sehr untergewichtig
dargestellten Text, braucht es wirklich erst einmal Neugier, sich hier
hineinzulesen. Fast alle Texte gehen auf die Geschichte der Teilbewegung
ein und beschreiben die gezeigten Plakate. Das geschieht in der üblichen,
politischen verklärten Insidersprache, die mich oft in schieres Staunen
versetzt. Sie haben auch nicht den Anspruch, von allen verstanden werden
zu müssen. Sie sind sehr nüchtern. Ich hatte fast den Eindruck,
als wären es notwendige Anhängsel, Schulaufsätze gewissermaßen,
denen anzusehen ist, dass sie nicht mit Freude geschrieben wurden. Einige
ragen jedoch heraus.
Das eine ist das Gespräch von Conni und Ela, das ich sehr unterhaltsam,
spannend und anregend finde. Später habe ich gemerkt, dass das Gespräch
gestellt war und "Conni und Ela" der Name einer Autorin ist.
Dieser literarische Gag sei erlaubt, hat er mich doch erfolgreich hinters
Licht geführt. Gefreut hat mich, dass einige sich darangemacht haben,
die Plakate und die Slogans kritisch zu hinterfragen. Klaus Viehmann hat
das in seinem Aufsatz: "Fäuste, Fahnen Blumentöpfe"
sehr anschaulich getan, und mir oft aus dem Herzen gesprochen. Mir wäre
es lieber gewesen, wenn die Verfasserlinnen in ihren Aufsätzen nicht
die Plakate beschrieben hätten, denn Bildbeschreibungen bringen keine
Spannung in das Buch. sondern die den Plakaten anhaftenden persönliche
Geschichten, Erlebnisse, Ängste und Freuden, Nöte, Ärger
beigebracht hätten. Solche Bücher müssen, sollen sie denn
mehr sein als Kataloge oder Altar-Ikonen, lebendig werden. Das abgebildete
Plakat ist nicht mehr als plakative Kunst, mit wissenschaftlicher Phantasie
der Betrachterin kann es analysiert und mit Tiefe ausgestattet werden,
aber die Geschichten, die sich um jedes Plakat winden, hauchen ihm Leben
ein. Wenn ich an meine Plakatsaison in meinem Leben denke, dann rankt
sich eine Story an die andere. Schade, dass es in dieser Hinsicht, wie
gesagt bis auf wenige, zu denen ich auch die Geschichte um die Rote Flora
zähle, geblieben ist. Das Entscheidende waren für die Sammlerinnen
die Plakate, zweifellos, dazu hatten sie vorher aufgerufen, und ich meine,
es ist ihnen auch gelungen haufenweise zusammenzutragen. Die, die nicht
im Buch abgedruckt wurden, lassen sich von der beigelegten CD betrachten
und macht das ganze Unternehmen auch so zu einem Lexikon, zu einem Fundus,
auf den zurückzugreifen zu vielen Gelegenheiten sinnvoll ist. Was
auch immer meine Kolleginnen Rezensentinnen sagen mögen: Das Buch
ist der Beweis für eine lebendige alternative Stadtkultur. Das wichtigste,
was mir dieses Buch deutlich gemacht hat, ist, dass Plakate mit ihrer
Agitationsabsicht und mit den verwendeten Symbolen und Farben eher die
Gefühle ansprechen sollen als den Intellekt, den Grips, den Verstand.
Symbole sind Botschaften an das Unterbewußte. Und das Unterbewußte
ist in politischen Strömungen und Bewegungen stets eine gefährliche
Angelegenheit. Natürlich muss in der Politik auch Platz für
Gefühle sein, andererseits ist für die politische Analyse und
für den Widerstand auf den Verstand nicht zu verzichten. Wenn ich
mir politische Plakate wünsche, dann müssten sie in erster Linie
ausführlich informieren und auch von Frauen und Männern zu verstehen
sein, die in dem pc- Mainstream nicht zu Hause sind. Wenn ich noch einen
Wunsch frei hätte: Sie sollten der intelligente Ausdruck einer Szene
sein, die von sich sagt, sie sei links politisch. Ich kann mich noch an
einen Ausdruck meiner Freundin erinnern, die vorwurfsvoll auf einen riesigen
Schriftzug der Antifa in Göttingen hinwies: "Krieg dem Krieg"
und sie kopfschüttelnd meinte, daß sei inhaltlich Unsinn. Mobilisierungsmethoden
lassen sich über das Internet heutzutage wesentlich effektiver gestalten
als mit dem Plakat.
Ende
des Agitationsplakats?
So meine ich, wird das traditionelle politische Agitationsplakat wenn
nicht abgelöst, so doch eine andere Bedeutung erlangen, wie zum Beispiel
als politisches Bekenntnis in der WG-Küche, oder, wie erwähnt
als Grenzziehung des Kiezterritoriums. Aber dennoch: Ein Schacht Konrad
Plakat, oder ein Tag X Plakat an einem ICE oder an die Polizeiwache geklebt,
wird immer Freude verbreiten: Es gibt sie doch noch, die illegal geklebten
Plakate, auch außerhalb des Quartiers. (Und wie ich gerade höre,
boomt es gerade gehörig!) In diesem Sinne, solange der Vorrat reicht.
zum
Anfang
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Ohne
Namen
Spirit of Resitance, Hamburg 2000
"...es
ist aber hauptsächlich das Plakat, welches die Agitatoren verwenden.
Das Plakat macht mehr von sich reden, es macht mehr Propaganda als das
Pamphlet oder eine Broschüre. Deshalb erscheinen die Plakate gedruckt
oder geschrieben, jedes Mal an den Mauern, wenn immer sich etwas ereignet,
das die große Masse der Bevölkerung interessiert." (S.
160-161) Diese Wertung von Pietr Kropotkin über die Wirkung von Plakaten
im letzten Jahrhundert muß in der heutigen Mediengesellschaft sicher
differenzierter gesehen werden. Aber nichtsdestotrotz nutzen die politischen
Bewegungen, die von den Autorinnen des Bandes "Hoch die Kampf dem"
unter dem Label "autonome Bewegungen" geführt werden, Plakate
als eine der signifikanten Formen der Binnen- wie der Außenkommunikation.
In Zeiten der Reflexion und historisierenden Betrachtungen über die
Geschichte der Linken in der BRD erscheint es daher wenig überraschend,
dass nun eine Gesamtschau von Plakaten seit Ende der 70er Jahre vorliegt.
Allerdings handelt es sich hierbei glücklicherweise nicht um eine
wissenschaftliche verbrämte Denunziation linker Geschichte oder ein
beharrlich-nervige Darstellung "unserer Geschichte", sondern
um eine von "mehr-oder-weniger"-AktivistInnen verfasste Rückschau,
die bis Ende der 90er Jahre reicht. Wie in der Einleitung hervorgehoben,
ist die Flüchtigkeit, das politische Handgemenge, aus der viele Plakate
entstanden sind, sicher zu berücksichtigen, wenn Plakate analysiert
werden sollen. Aber "zumindest Zeit können wir uns nehmen, diese
Plakate noch einmal anzusehen - gerade weil wir politischen Bewegungsplakaten
den Anspruch unterstellen, mit Hilfe politischer, grafischer und ästhetischer
Konfrontation für Veränderung und letztlich Befreiung einzutreten,
müssen sie politische gelesen und gedeutet werden."(S. 16)
Ein weiteres Motiv für das Buch war ein Ärgernis: 1997 wurde
aus Kreisen der Antifa-M in Göttingen ein teures Plakatbuch veröffentlicht,
welches die im Laufe der Jahre erschienenen Antifa-Plakate dieser Gruppe
dokumentierte. Ihr holzschnittartiger Stil "Böse Nazis - Gute
Autonome" mit eindeutiger Ausrichtung auf militante Aktionen ärgerte
einige Leute so sehr, dass sie beschlossen, sich selbst der Mühe
der Dokumentation und Analyse der Plakatgeschichte zuzuwenden.
"Hoch
die Kampf dem" ist zum einen ein wunderbares Buch zum Anschauen.
Über 600 Plakate sind farbig im Buch abgedruckt; dabei wurde nicht
die bei Bildbänden verbreitete Teilung in einen Text- und einen Bildteil
vorgenommen. Die Plakate sind in die Texte eingedruckt, und die jeweiligen
Verweise veranschaulichen lesefreundlich die Argumentation der Autorinnen.
Vertretbarer Nachteil hierbei sind die unterschiedlichen Größen
der Plakate, von denen einige doch recht klein geraten sind. Als Zugabe
liegt dem Buch eine CD-Rom bei, auf der das Ergebnis der Sammelwut der
Herausgeberinnen - fast 3000 Plakate wurden abfotografiert - gespeichert
ist. Zumindest wer über einen halbwegs tauglichen Computer verfügt,
kann in einer wahren Plakatflut versinken.
Aber die reine Schaulust hätte noch einen wenig politischen Gehalt,
den die Herausgeberinnen ja explizit einfordern. In siebzehn Einzelaufsätzen
von unterschiedlichen Autorinnen mit auch recht unterschiedlichen Intentionen
werden thematisch die Plakate einer kritischen Reflexion unterzogen.
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Michael
Krämer
hoch die kampf dem / 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen
Lateinamerika Nachrichten Nr. 309 / 2000 S. 50-53
600
Plakate im Buch, 3.000 auf CD-Rom. 20 Jahre Geschichte autonomer Bewegungen
anhand ihrer Plakatproduktion _ ein nostalgischer Vierfarbband für
in die Jahre gekommene Politaktivistinnen? Das erste Durchblättern
täuscht. "Hoch die kampf dem" ist weit mehr als nur ein
Erinnerungsalbum. Es unternimmt eine selbstkritische Reflexion der Wort-
und Bildersprache sowie des darin zum Ausdruck kommenden Selbstbildnisses
autonomer Bewegungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Auch in die
Plakatproduktion der Solidaritätsbewegung bietet es interessante
Einblicke.
"Es ist aber hauptsächlich das Plakat, welches die Agitatoren
verwenden", wusste schon Kropotkin. "Das Plakat macht mehr von
sich reden, es macht mehr Propaganda als das Pamphlet oder eine Broschüre.
Deshalb erscheinen die Plakate, gedruckt oder geschrieben, jedes Mal an
den Mauern, wann immer sich etwas ereignet, das die große Masse
der Bevölkerung interessiert. Heute herabgerissen, erscheinen sie
morgen wieder, zum Ärger der Regierenden und ihrer Knechte."
Der Pathos bei Kropotkin ist verständlich, schreibt er doch im Rückblick
auf die französische Revolution, die _ im Gegensatz zu den vielen
hierzulande immer wieder angesagten _ tatsächlich stattgefunden hat.
Ganz ohne Pathos kommen die Herausgeber in ihrer Einleitung zu dem kürzlich
veröffentlichten Buch "hoch die kampf dem" aus. Nüchtern
stellen sie in ihrer Geschichte der Plakate autonomer Bewegungen in den
letzten 20 Jahren fest: "Politische Plakate (...) kommunizieren Politik
nach außen in die Gesellschaft und dienen der Selbstverständigung,
sind kostenfreie Literatur." Die Buchform lässt ein genaues
Hinsehen zu und ermöglicht so interessante Einblicke in und Erkenntnisse
über eben diese Politik und die Binnenkommunikation in den verschiedenen
Phasen und Teilbereichen autonomer linker Politik. Erkenntnisse nicht
nur über die objektiven politischen Ziele, sondern auch die subjektiven
Befindlichkeiten der Akteure: "Die Bilder", so die Herausgeber,
"mit denen Plakate arbeiten, um plakativ zu sein, spiegeln oft in
besonderer Weise Ängste, Begehren und Wünsche der Aktivistinnen
wider."
Die begleitenden Artikel sind weit mehr als nur Untermalung für die
Plakate. Die Autorinnen schreiben nicht abstrakt über "ihr"
Thema. Sie waren allesamt in unterschiedlicher Weise an den verschiedenen
Bewegungen beteiligt und liefern meist (selbst-)kritische Analysen autonomer
und linker Wort- und Bildersprache. So wird an der Bildauswahl der Frauenbewegung
kritisiert, was auch für andere Bereiche gilt: "Die verwendeten
Frauendarstellungen wirken vor allem als Projektionsflaeche ïeigenerï
Fantasien und Wunschvorstellungen, die exterritorialisert sind und am
Bild ïder anderen Frauenï ausgespielt werden."
Die
Plakate der Solidaritätsbewegung
Besonders ausgeprägt ist die Bezugnahme auf "die Anderen"
verständlicherweise in der Solidaritätsbewegung. "Die Anderen"
waren meist Revolutionäre, in einem Kampf, in dem dieses oft recht
abstrakt bleibende Wort "Revolution" viel konkreter und realer
war, als im eigenem Land, in dem man nur eine ziemlich kleine Minderheit
bildete. Nicht zufällig stehen Nicaragua und El Salvador im Mittelpunkt
des Kapitels über die Plakate der Solidaritätsbewegung. Beide
Länder übten in den achtziger Jahren eine enorme Attraktion
auf die bundesdeutsche Linke aus - in Nicaragua hatte die Revolution gesiegt,
in El Salvador stand sie scheinbar kurz bevor.
Der Selbstverständigungsprozess über diese eigene Geschichte
steht im Mittelpunkt des dieses Kapitel begleitenden Artikels. Zur subjektiven
Befindlichkeit der Aktivistinnen der Nicaragua-Solidarität schreiben
die Autorinnen: "Während die Politik in der BRD oft von Ohnmachterfahrungen
und Entfremdungserlebnissen geprägt war, empfanden sie als BrigadistInnen
in Nicaragua oft das genaue Gegenteil. Alle Menschen schienen zufrieden
und aufgeschlossen. (...) Die Entwicklung Nicaraguas wurde als Projektionsfeld
für sich erfüllende Ideale und für unerreichbar scheinende
Ziele im eigenen Land funktionalisiert."
"No pasaran" _ sie kommen nicht durch. Wer sich in und für
Nicaragua engagierte, konnte sich ganz konkret dem US-Imperialismus entgegenstellen.
In der Selbstwahrnehmung und damit verbunden - siehe die Plakatproduktion
- der Außendarstellung der SoliaktivistInnen verschwamm der Unterschied
zwischen den sandinistischen Milizionären und Soldatinnen, die im
Contra-Krieg ihren Kopf hinhalten mussten, und den deutschen Kaffeepflückerinnen
und Flugblattverteilerinnen allerdings enorm. Das Plakat in der WG schuf
die Verbindung zum lächelnden Milizionär mit AK-47, Antiimperialismus
am Küchentisch.
"Gleich mehrere Plakate finden sich, auf denen immer das gleiche
Bild verwendet wird. Es zeigt Guerilleros (tatsächlich ist ganz am
Rand nur eine einzige Frau zu sehen), die in dynamischer Siegerpose und
-laune mit Fahne und Gewehr vorwärts stürmen. Der Ursprung des
verwendeten Bildes ist den Plakatmacherinnen nicht wichtig, es wird für
den jeweils eingesetzten Zweck verändert. Mal erscheint das Signum
FSLN, mal das der FMLN. Wichtig ist nur die allgemeine Aussage des Bildes:
begeisterte und aufrechte Kämpfer, wissend, was sie wollen, zum weiteren
Kampf bereit. Genau so, wie sich der aufrechte Solibewegte gerne selbst
imaginiert hat." Die beiden Autorinnen haben recht, wenn sie die
Revolutionsromantik und das Ausblenden von Widersprüchen in den Plakaten
der Solidaritätsbewegung hinterfragen, Waffenfetischismus, Machogehabe
und die Identifikation mit den Fahnen der Revolutionäre kritisieren.
(zumal eine Fahne hier, wenn Schwarz-Rot-Gold, gerade mal zum Abfackeln
bei Demos Verwendung findet)
Eloquent kritisieren sie Plakat für Plakat. Und doch bleibt die Analyse
manchmal unbefriedigend, erscheint stellenweise aus der besserwisserischen
Perspektive der Nachrevolutionszeit geschrieben. Die Dynamik der Kämpfe
in den 80er Jahren war eine ganz andere als heute. Es war Krieg, in Nicaragua
ging es um die Verteidigung der Revolution und in El Salvador um die bewaffnete
Machtergreifung. Beides war kein Selbstzweck, Waffen waren - das darf
trotz aller enttäuschten Hoffnungen (hier wie dort) nicht vergessen
werden - auch ein Instrument der Emanzipation.
Auch fehlt die Reflexion darüber, dass Plakate nur begrenzten Platz
für Wort und Bild bieten, Vereinfachung manchmal notwendig und auch
längst nicht immer falsch ist. So wird bemängelt, dass auf vielen
Plakaten zwar jede Menge Gewehre zu finden sind, schweres militärisches
Gerät aber nur "zur Illustration der Brutalität des US-Imperialismus
herangezogen" wird. Das kritisierte Plakat fordert den Stop der US-Intervention
in Mittelamerika und zeigt US-Militärs, die mit Sternenbanner von
einem Landungsboot marschieren. Ja und? Genau diese Gefahr war äußerst
real (wie Grenada bewiesen hat) und die Yankees hatten im Gegensatz beispielsweise
zur FMLN nun mal jede Menge schweres militärisches Gerät. Das
Plakat vereinfacht, ist aber trotzdem richtig. Oder war (und ist) der
US-Imperialismus etwa nicht brutal?
Zu Recht wird das stereotype Geschlechterbild bei einigen Plakaten kritisiert.
Frauen sollen der "Revolution ein sympathisches Gesicht geben, sie
attraktiv machen, letztlich erotisieren." (Was allerdings genauso
für einen Teil der abgebildeten Männer gilt) Andererseits wurden
Frauen auf einigen Plakaten weggelassen, "wenn es um die Darstellung
von Entschlossenheit und Kampfbereitschaft geht. (...) Der Widerstand,
mit dem wir (also auch Frauen) uns solidarisieren sollen, besteht offensichtlich
nur aus Männern."
Ist der von den Autorinnen vorgenommene Umkehrschluss jedoch richtig,
dass ein Plakat grundsätzlich "männerbündlerisch"
ist, wenn keine Frauen abgebildet werden _ es ging konkret um ein Plakat,
das im Vorfeld der Fussball-WM (der Männer) entstand oder verfallen
sie hier selbst in eine Vereinfachung, die sie sonst ablehnen: "Das
ironische und eigentlich ganz witzige Plakat der Chiapas-Solidarität
von 1998 "Unser Team für die WM - Unterstützt die EZLN"
setzt in dieser Hinsicht noch eins drauf: männerbündlerisch
wirbt es mit den Aktivisten selbst für die gerechte Sache."
"Hoch die kampf dem" ist ein interessantes und auch schönes
Buch geworden. Ein Buch voller Geschichte und Geschichten, weit mehr als
ein Erinnerungsalbum. Der Versuch, einen Beitrag zur Reflexion linker
autonomer Politik zu unternehmen, ist gelungen. Es bleibt zu hoffen, das
auch ein anderes Ziel, das sich die Herausgeber gesetzt haben, erreicht
wird: "Vielleicht kann es den Aktivistinnen der Heute und Morgen
als Anregung dienen und trägt dazu Bei, sich bei der Herstellung
und Verbreitung von Plakaten noch mehr als bisher nicht nur um den Text,
sondern auch um die Wirkung von Grafik und Bildern Gedanken zu machen."
Den Verlagen Libertäre Assoziation und Schwarze Risse/Rote Strasse
ist auf jeden Fall zu danken, dass sie das aufwendig gemachte Buch ermöglicht
haben und für 39,80 DM zudem äußerst günstig anbieten.
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Gespräch
mit Kerstin Brandes und Sebastian Haunss
Hoch die Reflexion - Kampf der Plattheit
in ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis
/ Nr. 435 / 17.02.200
Ein
absolutes Highlight auf dem linken Büchermarkt und fast schon ein
Muss ist das von HKS 13 herausgegebene Buch "hoch die kampf dem
- 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen". HKS 13 steht für
die "immer wieder gerne benutzte leuchtende rote Druckfarbe";
hinter dem Farbkürzel verbergen sich die Herausgeber Sebastian
Haunnss, Markus Mohr und Klaus Viehmann, die in Zusammenarbeit mit vielen
anderen dieses bisher einzigartige Buch produziert haben. Bewundernswert
ist das verlegerische Risiko, dass der Verlag Libertäre Assoziation
und der Verlag der Buchläden Schwarze Risse - Rote Straße
eingegangen sind, ein solch aufwendig produziertes Buch inklusive einer
CD-ROM für 39,80 DM auf den Markt zu bringen. 600 Plakate der unterschiedlichsten
sozialen Bewegungen (Häuserkampf-, FrauenLesben-, Internationalismus-,
Anti-AKW und noch einige mehr) sind im Buch abgebildet. Im Mittelpunkt
stehen logischerweise die Plakate und das Verhältnis der politisch
Aktiven zu diesem, doch oftmals unterschätzten Medium. Wir sprachen
in Hamburg mit Kerstin Brandes, Kunstwissenschaftlerin und Autorin des
Buchbeitrages über die Plakate der autonomen FrauenLesben-Bewegung,
und Sebastian Haunss. Das Gespräch für ak führten at.
und gw.
at.:
Wie seid ihr auf die Idee gekommen ein Plakatebuch herauszugeben? Gab
es Plakat-Liebhaber, die über eine große Sammlung von Plakaten
verfügen? Dir, Sebastian, wird nachgesagt, dass Du ein großes
Plakate-Archiv hast.
Sebastian: Ich habe zwar immer mal wieder Plakate gesammelt, aber
das sind nur einige wenige. Zu Stande gekommen ist das Buch, weil wir
- d.h. die Herausgeber - irgendwann zusammensaßen und uns darüber
wunderten, dass noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, mit dem Material
der vielen tausend politischen Plakaten der letzten 20 Jahre ein Buch
zu machen. Anlass unseres Gesprächs war damals das Plakatbuch der
Göttinger Antifa (M) bzw. von deren Gruppe Kunst und Kampf. Darin
wird eine Vorstellung von politischer Kunst vertreten, die eine etwas
modernisierte Art der 20er Jahre Ästhetik in die 90er Jahre transformiert.
Wir haben uns gedacht, dass man das im Grunde so nicht stehen lassen kann,
als das einzige Buch zum Thema. Dann haben wir uns umgehört, was
Leute davon halten ein Buch mit Plakaten der linken Szene zu machen. Wir
sind auf große Begeisterung gestoßen. Danach haben wir Archive
gesichtet und gesehen, dass es genügend Material gab. Plakate sind
ein total interessantes Medium.
gw:
Ihr habt euch eingegrenzt auf 20 Jahre autonome Bewegung.
Sebastian: Bewegung ist nicht richtig, vorne auf dem Titel steht
Bewegungen. Der Plural hat durchaus seinen Sinn. Auch wenn wir damit viele
Bewegungen, die sich selber vielleicht nicht als autonome bezeichnen würden,
etwas imperial zusammengefasst haben, ist uns doch wichtig, dass es Bewegungen
sind, dass es nicht eine Bewegung ist, deren Plakate wir darstellen. Es
ist eine Vielzahl von undogmatischen linken - ich würde durchaus
sagen autonomen - Bewegungen, die es in den letzten 20 bis 30 Jahren in
der BRD gab, und deren Plakat-Produktion wir betrachtet haben.
at.:
Nach welchen Kriterien habt ihr denn die Plakate ausgewählt, die
ihr dargestellt habt; es gibt ja sicher noch mehr als die im Buch dokumentierten?
Sebastian: Erst mal haben wir alles fotografiert, was wir gefunden
haben und was im Spektrum der sozialen Bewegungen entstanden ist. Nicht
aufgenommen haben wir Plakate, wo Parteinamen drunter standen. Das war
unser Ausschlusskriterium.
at.:
Wie viele Plakate waren das?
Sebastian: Die vollständige Sammlung ist auf der CD, die hinten im
Buch drin ist. Das sind knapp 3.000 Plakate. Wir haben in kleinen Archiven
gesucht, meistens inoffiziellen, und in vielen Privatsammlungen. Leider
sind in den Archiven die Plakate ganz schlecht sortiert. Die größten
Archive sind in Hamburg, Berlin und Stuttgart, wobei in Stuttgart das
einzige staatliche Archiv, die Dokumentationsstelle für "Unkonventionelle
Literatur" angesiedelt ist. Dort existiert ein großer, halbwegs
systematisierter Plakatbestand. Ansonsten bestehen diese Plakatsammlungen
zumeist aus einem großen Plakate-Schrank, wo die Plakate - wenn
man Glück hat - grob sortiert drinliegen. Plakate werden im Gegensatz
zu Zeitschriften und Flugblättern nirgends systematisch gesammelt.
at.:
20 Jahre autonome Bewegungen, das heißt natürlich auch 20 Jahre
eigene Geschichte. Was ich sehr schön fand, ist diese sehr lebendige
Art der Darstellung. Beim Durchblättern verfällt man häufig
so ein bisschen in die Erinnerung: Ach ja, war das damals eine schöne
Demo... Diese Art der "romantischen Erinnerung" ist ja bestimmt
nicht das (einzige) Ziel des Buches?
Sebastian: Diesen Poesiealbum-Effekt, haben wir durchaus voraus
gesehen und uns auch nicht wirklich dagegen gesträubt. Aber der hauptsächliche
Zweck des Buches ist es, historisches Material wieder zugänglich
zu machen, d.h. die Möglichkeit zu geben, sich mit den Vorstellungen
der politischen Akteure, die diese Plakate gemacht haben, auseinander
zu setzen: Was wollten sie, indem sie bestimmte Ausdrucksformen, bestimmte
Bildsprachen gewählt haben? Was wollten sie erreichen, wenn sie eine
bestimmte visuelle Rhetorik verwendet haben? Wir wollen das Medium Plakat
dadurch auch kritisierbar machen. Unser Ziel ist es, einen Prozess mit
anzuschieben, der ein Nachdenken über die visuellen Formen unterstützt.
Gleichzeitig ist das Ziel eine kleine Geschichte zu schreiben, weil die
Plakate - das ist der zweite Effekt des "Posiealbums" - auch
eine Geschichte noch mal lebendig machen. Mehr als manche Texte spiegeln
diese Plakate die Lebendigkeit der Bewegungen wider.
gw:
Kerstin, du hast in deinem Beitrag auch dieses Problem angerissen, dass
der Blick von heute auf die Geschichte, oft den Kontext ausblendet, in
dem die Plakate gemacht wurden.
Kerstin: Es war eine Richtlinie der Herausgeber - die mich zu einem
Beitrag motiviert hat, dass die Plakate ausdrücklich im Mittelpunkt
stehen, also gerade nicht als Illustration für eine Erzählung
der Bewegungsgeschichten sein sollten. Ein solcher Perspektivwechsel war
nicht zuletzt auf Grund der Fülle des Materials eine Herausforderung.
Denn natürlich geht es gar nicht anders, als die Plakate im Kontext
der jeweiligen Situationen zu betrachten - was liefen für Aktionen,
was war gerade Thema. Ich finde nicht, dass man die Bilder, die Plakate,
nachträglich entschuldigen muss. Ich meine auch nicht, dass die alten
Plakate alle "schlecht" waren und dass die neuen alle "gut"
sind. Die Plakate, nehmen wir z.B. die der FrauenLesben-Bewegung, haben
sich im Laufe der Zeit verändert. Da gibt es deutliche Tendenzen
und die stehen auch im ganz engen Zusammenhang damit, wie politische Diskussion
gerade aktuell geführt wurden. Unübersehbar ist aber auch, dass
sich bei allem revolutionären Impetus immer wieder traditionelle
Darstellungsmuster eingeschlichen haben und somit die Bildebene etwas
bestätigt, wogegen auf der Ebene politischer Aktion opponiert wird.
Davor ist z.B. auch eine FrauenLesben-Bewegung nicht gefeit. Auch nicht
davor "andere Frauen" für die eigenen Ziele zu funktionalisieren.
Das ist ein Muster, das wir gelernt haben. Genau darum geht es mir, dass
diese Aspekte immer wieder reflektiert werden.
at.:
Du hast an Hand der Plakate der autonomen FrauenLesben-Bewegung heraus
gearbeitet, dass oft auf herkömmliche Repräsentationsmuster
zurückgegriffen wird. Was ich auch sehr interessant fand ist, dass
du auf Plakate eingegangen bis, bei denen eine parodistische Darstellung
in den Plakaten (mit) enthalten ist, wie z.B. bei dem Frauenkampftag-Plakat.
Kerstin: Mir hat an dem Frauenkampftag-Plakat gefallen, dass die
Frauen nicht in Kampfmontur, sondern in Sportklamotten dastehen, in lockerer
Reihe. Und die roten Boxhandschuhe sind eindeutig in das Bild montiert;
damit werden Assoziationen freigesetzt. Die Ironisierung des Frauenkampftags
als Kampfsporttag erweitert das Bedeutungsfeld von "Kämpfen".
Die parodistische "Selbst"-Darstellung macht FrauenLesben in
dem Plakat sowohl im Bild wie auch im Text als Akteurinnen sichtbar und
reflektiert gleichzeitig die Funktion idealisierender Frauendarstellungen.
Da findet eine andere Art der Repräsentation von Frauen und Frauenbewegung
statt. Das gefällt mir.
at.:
Du beschreibst andererseits in deinem Beitrag, dass die Art der Frauendarstellungen
oft die Fantasien der Macherinnen oder der Bewegung projiziert. Bei dem
Plakat "Solidarität mit den Frauen in El Salvador" ist
das Bild der Frau aus dem Kontext gerissen und transportiert nun, was
es transportieren soll ...
Kerstin: Ich glaube eben nicht, dass ich aus dem Plakat das herauslese,
was es vielleicht transportieren wollte. Das Plakat hat eine hehre Absicht,
ein hehres Ziel. Was aber letztlich dabei rauskommt ist eine Entpersonalisierung.
Dieses Frauen-Bild wird oft mit dem Bild Che Guevaras verglichen (auch
in einem Beitrag des Buches). Aber im Gegensatz zu Che Guevara war diese
Frau schon immer namenlos. Die "Frau" steht hier für ein
Land mit dem frau/man Solidarität üben soll. Es hat Tradition,
dass Bilder von Frauen für politische Belange eingesetzt werden,
aus denen diese Frauen selbst herausfallen. Über dieses Muster muss
man nachdenken.
at:
Also ist es auch eine Zielsetzung des Buches, dass Plakate besser werden
sollen?
Sebastian: Man kann es nicht nur von den Plakaten her betrachten.
Es ist ja nicht das Problem, dass einzelne Plakate schlecht sind, z.B.
die aus der Internationalismusbewegung, die mit sehr klassischen Frauen-
und Männerbildern agieren, sondern das Problem ist, dass diese Plakate
mobilisieren sollten. Plakate die sehr reflektiert sind, die eine ironische
Distanz aufbauen, die eine sehr unkonventionelle Bildsprache wählen,
tun genau das nicht mehr. Das ist einerseits ein Problem der Plakate,
andererseits ein Problem der Bewegung, die genau durch solche platten
Plakate mobilisiert wird. Also eine Internationalismusbewegung, die sich
nur durch die sexy Guerilleros oder Guerillas auf den Plakaten mobilisieren
lässt. Da kann man natürlich versuchen ein sehr reflektiertes
Plakat zu machen, aber wenn es dann die Wirkung des Mobilisierens nicht
mehr hat, dann ist es als Plakat auch sinnlos.
Kerstin:
Mein Wunsch ist, dass Plakate ernster genommen werden. Damit meine ich
aber gerade nicht eine normierende Bildsprache zu entwickeln, wie dies
die Antifa(M) macht. Bilder funktionieren nicht als eins zu eins Übersetzung,
wo das Ganze sich einfach aus der Summe der Einzelteile zusammensetzt
und damit eine klare politische Aussage ergibt, die mit der Intuition
kongruent geht. Mit "ernster nehmen" meine ich, die Wirkungsweise
und die Eigenständigkeit einer Bild-Text-Kombination zu beachten.
Genauer darauf zu achten, welche Tradition bestimmte Bilder haben, wo
sie herkommen.
gw:
Mir kommt dabei die Situation der PlaketeherstellerInnnen zu kurz. Weil
die ja unter dem Druck der politischen Aktion stehen. Das sind doch genau
die Konfliktpunkte zwischen einem wissenschaftlichen, analysierendem Blick
und dem der Handelnden.
Sebastian: Der Zeitdruck ist ein wenig überzeugendes Argument,
wenn ich mir anschaue, wie lange und mit welcher Akribie über die
Texte der Flugblätter gestritten wird und wie wenig Zeit im Gegensatz
auf die Plakate verwendet wird. Die Bewegungen haben immer das geschriebene
Wort als das Zentrale angesehen und zu den Plakaten zumeist nur ein funktionales
Verhältnis.
at.:
Ich glaube schon, dass sich aber im Laufe der Zeit einiges geändert
hat. Einerseits, weil sich die Möglichkeiten der Herstellung geändert
haben und weil sich auch die Herangehensweise an und die Wahrnehmung von
Bildern geändert hat.
Sebastian: Also da eine klare Entwicklungslinie zu zeichnen, halte
ich für schwierig. Die technischen Möglichkeiten haben sicher
dazu geführt, dass heute eine gewisse Perfektion eher möglich
ist als vor 20 oder 25 Jahren. Die guten Ideen, die im Grunde ein gelungenes
Plakat ausmachen, sind aber von der Technik unabhängig. Wir sind
beim Durchblättern der riesigen Plakatstapel immer wieder auch auf
alte Plakate gestoßen, die wir für sehr gelungen halten, die
eine Bild-Text-Kombination haben, die auf eine Art zeitlos gut ist, die
auch heute genau so wieder gemacht werden könnten. Genauso gibt es
viele "moderne" - d.h. mit modernen Mitteln wie Computerlayout
hergestellte - Plakate, die im Grunde ganz traditionell sind. Veränderungsprozesse
sind aber durchaus festzustellen. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen
bestimmte Typen von Bildern in Frage gestellt werden. Ende der 90er Jahre
wurde in Teilen des Antifabereichs eine gewisse Militanzfetischisierung
kritisiert und es wurden andere Bilder gesucht. Bei einer Antifademo in
Bremen wurde ein fliegender Blumentopf, anstelle des üblichen Motivs
"den Naziaufmarsch zerschlagen" oder der Faust, verwendet. Oder,
was in dem Buchbeitrag von H. Frankfurter aufgezeigt wird, dass Ende der
80er Jahre Kinder an die Stelle der Militanten getreten sind. Was H. Frankfurter
dazu bringt, diese Funktionalisierung der Kinder und die Identifizierung
der Bewegung mit den Kindern wieder zu kritisieren. Aber auch zu sagen,
der Impuls Kinder an die Stelle der Militanten zu setzen, ist das Ergebnis
einer Reflexion der vorherrschenden Bildsprache.
at.:
Habt ihr unter diesen Kriterien, die ihr genannt habt, so was wie Lieblingsplakate?
Beim Durchblättern sind mir Plakate wieder aufgefallen, die für
mich schon eine Rolle von Lieblingsplakaten haben und zwar die, die mich
am Anfang agitiert und damit politisiert haben - nämlich die Startbahn-West-Plakate.
Eine Identifizierung läuft ja nicht nur über das Sehen ab. Es
sind oft auch Plakate, die man selbst plakatiert hat. Das ist auch noch
ein weiterer Aspekt, der bei Plakaten eine Rolle spielt, dass sie eine
handelnde Funktion haben.
Kerstin: Das ist bei Lieblingsplakaten ja oft so, dass man die
nicht nur gerne anguckt, sondern mit denen eine eigene Vergangenheit verbindet.
Es gibt etliche Plakate die mich irgendwie ansprechen, sei es ein Bildmotiv,
der Schriftzug oder der Slogan.
Sebastian: Ich fand viele der abgedruckten Plakate doch sehr gelungen.
Zum Beispiel die Plakate, die zum Münchner WWG 1992 mobilisieren,
gehören sicher zu den Lieblingen von mir, weil sie in einer sehr
prägnanten Ästhetik eine scharfe politische Kritik mit einem
sehr ironischen Blick verbinden. Was im Grunde zeigt, dass man mit einer
durchaus distanzierteren Position nicht auf eine Schärfe der politischen
Kritik verzichten muss.
Kerstin: Eher im Gegenteil. Dieses Plakat "Wir machen den Weg frei",
eröffnet assoziativ die Komplexität der Thematik. Genau da liegt
die Schärfe.
gw:
Wie sind denn eure bisherigen Erfahrungen bei den Veranstaltungen, die
ihr mit dem Buch gemacht habt? Mir ging es zum Beispiel bei der Veranstaltung
in der Roten Flora so, dass ich mir vorkam wie bei einem alternativen
WG-Dia-Abend ...
Sebastian: Mein Eindruck ist, dass das Zeigen der Bilder den Effekt
des Durchblättern des Buches noch verstärkt. Die Leute schauen
sich die Bilder an und sagen: "Oh das gab's damals, daran erinnere
ich mich, das hab ich selbst geklebt." Dieses Bild vom WG-Dia-Abend
ist ein richtiger Vergleich. Es gibt eine sehr große Unsicherheit,
über diese Plakate zu reden. Die Veranstaltungen spiegeln wider,
dass über das Medium Plakat bisher relativ wenig Auseinandersetzungen
gelaufen sind. Die Diskussionen entzündeten sich oft genau an der
Kritik der Plakate, die die zu den Veranstaltung gekommenen AltaktivistInnen
zum Teil selbst gemacht haben, und die sie dann auch verteidigen.
Kerstin: Hast du den Eindruck, dass so etwas wie die Fähigkeit
zur Distanzierung fehlt oder sind die Plakate immer noch zu nah an einem
"eigenen Selbst"?
Sebastian: Ja das glaube ich schon. Das Verhältnis der Leute
zu den Plakaten ist sehr eng, was sich auch daran zeigt, dass die Leute
die Plakate in ihrer Wohnung hängen haben und diese Plakate starke
Identifizierungssymbole sind. Nach wie vor ist die zentrale Intention:
wie kann das Plakat am einfachsten und am besten mobilisieren. Den Plakatkritikern
wird vorgeworfen mit der teilweise ästhetischen Kritik an den Plakaten
den mobilisierenden Aspekt zu wenig zu berücksichtigen.
at.:
Du hast gerade noch einmal den Aspekt mit den WG-Zimmern angesprochen.
Früher waren Plakate Identifikations-und Streitpunkte. Zum Beispiel
brach bei mir eine WG an dem "Waffen für El Salvador"-Plakat
auseinander. Vielleicht hat man heute noch stärker das Gefühl
mit dem Aufhängen von Plakaten außerhalb zu stehen.
Sebastian: Wahrscheinlich hat das mehr mit dem Alter zu tun. Ich glaube
Plakate haben immer noch den Effekt und die Funktion eines Kunstersatzes
mit Bekenntnischarakter. Sie drücken aus, "ich bin Teil dieser
Bewegung, ich identifiziere mich mit den Plakaten dieser Bewegung"
und in den Wohnungen jüngerer AktivistInnen - aber auch vieler Älterer
- hängen nach wie vor die aktuellen Plakate an der Wand. Dass die
Plakate bei uns nicht mehr hängen, hat vielleicht ja hoffnungsvoller
Weise etwas damit zu tun, dass diese ein bisschen naive Identifizierung
auch nicht mehr ganz so stark ist.
gw:
Ist irgendwann daran gedacht das Buchthema zu erweitern?
Sebastian: Wir haben geschrieben, dass wir weiter Plakate sammeln
und dass alle, die bei sich Plakate rum liegen haben, diese Plakate gerne
an das Archiv in der Roten Flora schicken sollen. Dort werden sie archiviert
und wir werden die Plakatsammlung in absehbarer Zeit aktualisieren. Ob
das in Form einer Neuauflage des Buches mit einer aktualisierten CD geschehen
wird, steht bisher in den Sternen. Eine Neuauflage des Buches ist momentan
erstmal nicht finanzierbar. Das Archiv, das wir aufgebaut haben und das
in seiner Größe für die parteiunabhängigen Bewegungen
einmalig ist, wollen wir auf alle Fälle weiter führen.
Kerstin, Sebastian wir danken Euch für das Gespräch.
Plakate
können geschickt werden an: Archiv der sozialen Bewegungen c/o Rote
Flora, Schulterblatt 71 / 20357 Hamburg, Fax/Phon: 040-433007 / Veranstaltung
mit den Herausgebern des Buches: Dienstag, 22.2.2000 ab 20.00 Uhr in der
Zeche Carl, Wilhelm-Nieswandt-Allee 100, Essen
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Hagen
Sechshundert Plakate
in Gegenwind (Kiel) Nr. 140 / Mai 2000, S. 31/32
Vermutlich
erstmals in der französischen Revolution in großer Menge in
französischen Ballungszentren auftreten, begann das Plakat einen
Sturmlauf um die Welt. Wer was zu sagen hatte, druckte (oft im Geheimen)
und suchte geeignete Wände. 1855 wurde in Berlin die erste Litfaßsäule
aufgestellt. Hausbesitzerinnen und Saubermänner versuchten die bunten
Schnipsel mehr oder mehr an die ausgewiesenen Orte zu verbannen. Waren
die Säulen Anfang des Jahrhunderts noch Orte der Kommunikation, so
verkamen sie nach und nach zu Werbeflächen , wenn du was anschlagen
wolltest, dann nur mit Genehmigung und Obolus. Logische Konsequenz war
eine ausufernde und großflächige Tapezierei vom öffentlichen
Raum Dass Hausbesitzerinnen und Stadtväter / Landvögte mit Wunschquote
dies nicht gerne sahen, war klar. Mittlerweile werden Stromkäsen
und andere vermeintlich werbewirksame Flächen privatisiert. Jetzt
hast du neben den Häschern des Königs auch die Hanse am Arsch.
So weit so schlecht.
Alle politisch-aktivistischen Leute spätestens ab Ende der Sechziger
kannten das Gefühl nachts auf der Straße. Wie oft wurde ein
falsch identifiziertes Fahrzeug ("Die Bullen! Schnell weg!")
zum Grund, Eimer Quast und Plakate wegzuschmeißen und die Beine
in die Hand zu nehmen. Coole Varianten waren, um die Ecke zu rennen und
die Sachen in Mülleimern, Büschen oder anderen Verstecken zu
deponieren. Auch Kleidung oder Fahrräder wurde den Erfordernissen
angepasst. Tipps für das beste Vorgehen ausgetauscht. Selbst erwischt
zu werden war oft kein Drama. Mecker vom Waldmeister war die glückliche
Variante, die böse: Er ging mit dir durch die Straßen und du
durfest dein gesamtes gesichtetes Nachtwerk wieder entfernen. Nicht immer
kam es zu Anzeigen. Ab Anfang der Siebziger herrschte der Kampf um die
besten Flächen und die richtige politische Einstellung. Werbung,
"unpolitische" Anschläge und die der Konkurrenz wurden
abgerissen und / oder überklebt.
Das Buch hoch die, kampf dem. 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen behandelt
einen Ausschnitt dieser wilden Kultur. Dabei wird alles genommen, "was
im weitesten Sinne den undogmatischen linken Bewegungen aus den letzten
25-30 Jahren zuzuordnen war". Diese "neben Demonstrationen ....
deutlichsten sichtbaren Zeichen der Bewegungen" sollen eine nachträgliche
Reflexion ermöglichen und als Anregung diesen, sich bei der Herstellung
und Verbreitung von Plakaten mehr Gedanken über die Wirkung zu machen.
Diverse Artikel setzen sich in unterschiedlicher Form mit Plakat und autonomer
Bewegung auseinander.
Vom ersten besetzten Haus in Berlin 1971 bis zum dortigen "Lappenkrieg"
1982 anlässlich des Reagan-Besuchs, vom Kraaker-Pfeil über Gegeninformation
bis zu kopierten und leicht veränderten Werbungen werden diverse
Aspekte der Häuserkampfbewegung abgehandelt, gesäumt mit einer
menge bunter Beispiele. Das ist meiner Meinung nach auch eine Stärke
des ganzen Buches: die über 600 reproduzierten Plakate. Weiter geht`s
mit der autonomen FrauenLesbenbewegung, einer der wenigen Artikel, der
radikal-selbstkritisch, umfassend und beschreibend. 8. März sexuelle/sexualisierte
Gewalt, § 218 und 129 a, Walpurgisnacht, Rassismus, Faschismus, internationale
Solidarität, Knast, Selbstorganisation u.a. ist genauso Thema wie
die Repräsentation. "Welche Bedeutungen schwingen zwischen den
Zeilen mit, ohne dass sie explizit ausgesprochen werden?"
Auch die stillschweigende Trennung in gute und böse Männer wird
angesprochen, bestimmte Rollenzuweisungen, Ausgrenzung über Begriffe
und mehr. Der Text weist ohne direkte Benennung auch auf das fehlen einer
entsprechenden Auseinandersetzung im Rest des Buches hin. Zwar wird ein
Wandel im Ästhetischen festgestellt, zurückzuführen auf
die "Macker-Militanz"-Darstellunen und daran geäußerter
Kritik, aber das war`s (fast) schon. Allein das Plakat Nr. 46 Müsli
82 mit drei Vermummten (Benzin, Steine, Sprühen) und "futuristischem"
Zitat oder Nr. 512 - ein Mann mit geballter Faust und Knüppel gegenüber
von zwei Autos und dahinter Menschen - liefern allerhand "freiheitlichen"
Gesprächsstoff. Bis heute habe ich gedacht, das auf letzterem ein
vermummter mit Handschuhen abgebildet ist. Dank des Buches weiß
ich jetzt, dass es ein schwarzer Verteidiger in Hoyerswerda war.
Weitere Themen sind Repression, die Solidaritätsbewegung (textlich
eher die Mittelamerika-Solidarität) Antimilitarismus (wobei tendenziell
der Anti-US-Imperialismus gemeint ist), die Anti-AKW-Bewegung, Startbahn-West
(wobei die positive Darstellung, dass Frankfurter Autonome sich nach den
Todesschüssen 1987 gegen zwei Bullen öffentlich der Diskussion
stellten, schon mehr als peinlich ist), Antirassismus und 1. Mai. Zwischendrin
wird eine Geschichte der Hamburger Plakatmalerinnen (Rote Flora) erzählt.
Auch wird sehr vielschichtig über das "rebellische Kind",
Motiv seit Mitte der Achtziger, nachgedacht. Trotz des in teilen der autonomen
Bewegung unbeliebten Reflektierens / Analysierens und damit oft verbundenen
Plattheiten macht`s hier richtig Spaß zu lesen und nachzudenken.
Es gibt vielleicht eine Ahnung, warum ein Älterwerden hier auf Schwierigkeiten
stößt.
In ähnlich erfrischender Qualität ist für mich der Dialog
zweier Frauen über zwei Plakate mit deren möglichen Botschaften.
Das Norderstedter kommt dabei unter die Räder (ja, ja ich weiß),
aber die aufgeworfenen Sichtweisen sind nicht von der hand zu weisen.
Mir fehlte dabei ein wenig "Metropolen"-Kritik. Die Darstellung
"Freiheit", die grundsätzlich bei Autonomen zu kurz kam,
wird exemplarisch beleuchtet, mit gefangenen zusammengebracht, um dann
bei einem lustvollen Harper-Druck aus England zu enden. Sehr gelungen
der Designer, der hilfreich über Herstellung, Verbreitung Wirkung
nachdenkt. Dieser Text könnte zur Grundlage jeder plakatproduzierenden
Gruppe werden. . Wenn da nur nicht das "stotternde" Plakat wäre,
halt ein nicht ästhetisches Problem. Die Auseinandersetzung mit antifaschistischen
Plakaten thematisiert die Symbolik und verwendete Bilder (Faust, Fahne,
Militanzgehabe). Zwischen dem ganzen Traditionsscheiß wären
dann noch einige Rosen und andere Blumen zu finden, die treffend ein anderes
Verständnis von Antifaschismus zeigen. Die Bissigkeit zu "Kunst
und Kampf"", Filiale der Antifa M in Göttingen mit ihren
KPD/Roten Armee-Relikten, sind aus undogmatischer Sicht das Mindeste.
Da bin ich auch schon bei meiner größten Schwierigkeit mit
dem Buch. Dogmatisch heißt, starr an einer Ideologie festhaltend.
Schon in den Achtzigern sammelten sich unterm autonomen Label (auch in
Kiel) derartig ausgerichtete Gruppen. In diesem Buch tauchen die Antiimps,
Unterstutzerinnen der RAF-Strategie mit angeschlossenen Front-Gruppen
im proletarischen Volkskrieg, auf. Es gab ungezählte auch körperliche
Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Autonomen, nicht nur in Frankfurt.
Ähnlich der Schweiz, dort schon fortgeschrittener, tauchten immer
mehr Antiimps und ähnliche "Dogmatens" bei den Autonomen
der neunziger auf, was sich entsprechend inhaltlich niederschlägt.
Stellenweise auch in diesem Buch.
Dafür fällt Punk unter Jugendbewegung. Autonome Auseinandersetzungen
um soziale gefangene, totalitäre Institutionen (Psychiatrie, Schule
etc.) Rote und andere Hilfen etc. verschwinden. Alles das zu finden in
Zeitungen wie Die Aktion, Armes Deutschland, Bruchstücke, Durchblick,
Freiraum, Projektil u.v.a.m. So begrüßenswert Geschichtsaufarbeitung
ist, so schwierig ist es, zu erkennen, wer welche Interessen transportiert.
Insofern ist der buchliche Vertretungsanspruch zurückzuweisen. Er
ist ein Ausschnitt. Bestätigt wird dies auch in mitgelieferter CD
mit fast dreitausend Plakaten. Aus Norderstedt eins, aus Flensburg fünf
und Kiel 33. Wer in der Kieler Arbeitslosenini in der Iltisstraße
im Januar war, wird weitere entdeckt haben, und ich persönlich habe
noch andere gekleistert. Das restliche Schleswig-Holstein erscheint nach
Suchen überhaupt nicht. TierrechtlerInnen, WahlboykotteurInnen, Punx,
SportlerInnen, anarchistisch orientierte Autonome werden selten bis gar
nicht fündig. Eine Menge Arbeit für andere HistorikerInnen.
Trotz alledem: ein Meilenstein autonomer Bewegungen zu einem Preis, der
für die MacherInnen spricht. Und gut für viele Diskussionen,
unabhängig von "autonomen".
zum
Anfang
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Jochen
Knoblauch
20 JAHRE PLAKATE AUTONOMER BEWEGUNGEN
in Contraste (Heidelberg) Nr. 184 / Januar 2000 S. 1 und 6.
Die
Geschichte politischer Plakate lässt sich bis in die französische
Revolution zurückverfolgen, dort wurden erstmals in größerer
Zahl politische Texte und später auch mit Zeichnungen versehene Plakate
an die Hauswände der Stadt geklebt. Unser Schwerpunktthema beschäftigt
sich mit politischen Plakaten der letzten zwanzig Jahre. Anlass ist das
im Herbst erschienene Buch "hoch die kampf dem - 20 Jahre Plakate
autonomer Bewegungen" der Verlage Libertäre Assoziation, Schwarze
Risse und Rote Strasse.
Jochen
Knoblauch, Berlin - Der Mensch ist gefangen in seinen Wahrnehmungen. Unsere
visuellen Möglichkeiten werden zunehmend auf die Probe gestellt durch
eine Fülle von Bildern, die zumindest den Großstadtmenschen
überfluten. Zwischen all den Werbeplakaten, Straßen und sonstigen
Hinweisschildern muss sich das politisch ambitionierte Plakat einen Platz
erkämpfen. So, wie wir uns unsere Freiräume zum Leben erkämpfen
müssen, braucht die (Gegen-)Information ihre Räume, und da diese
selten legal sind, müssen eben Hauseingänge, Bauzäune,
Mauern, Stromkästen usw. dafür herhalten.
Politische Plakate dienen der Information für Demos, Aktionen etc.,
zur Agitation, oder/und als Reaktion auf Ereignisse, die die MacherInnen
bewegen. Meistens handelt es sich um kurzlebige Plakate, die - wenn ihr
Zweck erfüllt ist - eben überklebt oder abgerissen werden. Nichts
ist so alt wie das Plakat zur letzten Demo, zur letzten Soli-Party oder
Diskussionsveranstaltung. Und da mittlerweile die Räume enger werden
- weniger besetzte Häuser, weniger politische Buch- und Infoläden
- treibt es die Plakate immer mehr in den öffentlichen Raum. Und
hier werden wir sie eben geklebt, dem verrotten oder der Schmach des abgerissen
werdens ausgesetzt.
Wer will und kann diese Devotionalien der Bewegung(en) sammeln? Wie können
diese Mengen archiviert werden? Immerhin sind es doch Zeugnisse der politischen
Willensbekundungen, eng verknüpft mit Ereignissen der Zeitgeschichte
- und unserer Geschichte. Jedes Plakat macht seine visuelle Aussage und
versteckt die der Macherinnen, ihrer Zeit, Ihrer Wünsche und Träume
und ihrer Kämpfe. Die Idee, diese Zeugnisse zu sammeln, scheint der
militanten Linken etwas spät gekommen zu sein, aber vielleicht noch
nicht zu spät. Ein Unterfangen, welches ein guter Anfang ist, liegt
jetzt in Buchform vor: "hoch die kampf dem" ist nicht bloß
eine Ansammlung von Plakaten, sondern gleichzeitig ein Lesebuch mit Kurzüberblick
auf die politisch-tunabhängigen Bewegungen. Es macht Spaß dieses
Buch zu lesen - vielleicht zur Enttäuschung jener, die sich schon
gefreut haben, endlich mal `nur' was zum Anschauen zu haben.
Natürlich stellt sich auch die Frage, ob und warum alles gesammelt
und archiviert werden muss? Zumal, wenn wie mit der 68er-Bewegung auch
eine Geschichtsklitterung vorgenommen, Geschichte verpersonalisiert, zum
Geschäft degradiert wird. Seine eigene Geschichte zu kennen, ist
jedoch kein Fehler. Neben den Erinnerungen bietet es auch Anregungen.
Die Kritikerinnen derartiger Projekte werden sich schon von ganz allein
melden. Jedenfalls bietet das Buch neben der CD-ROM einen Grundstock,
und es werden vermutlich durch dieses Buch noch weitere Plakate hinzukommen,
denn in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Archiv der sozialen Bewegungen
soll das Plakat-Archiv ausgebaut werden.
Geschichte
Die politische Proklamation per öffentlichen Anschlag wurde bereits
in der Französische Revolution von 1789 ff. praktiziert. Aber nicht
nur die politischen Verhältnisse spielten eine Rolle bei der Verbreitung
politischer Plakate, sondern vielmehr die technischen Voraussetzungen
Plakate zu entwerfen und herzustellen. Dies war eigentlich - vor allem
von politisch unabhängigen Gruppen ohne riesigen Kostenaufwand erst
seit den 70er Jahren möglich, wenngleich selbst heute noch die Produktion
von Plakaten auch nicht gerade sehr billig ist. Wurden Ende der 60ger,
Anfang der 70er Jahre noch vornehmlich `Strich-Vorlagen benutzt (also
Schrift, Zeichnungen etc., die den komplizierten fototechnischen Aufwand
bei der Herstellung der Druckvorlagen (damals noch) erschwerten), so sind
heute, dank High Teich, entwurfsmüßig keine Grenzen mehr gesetzt.
Plakate, die nicht nur direkte Informationen transportierten wurden in
den 70er und 80er Jahre zum beliebten Wandschmuck für WG-Küchen,
Kneipen mit Anspruch sowie den politischen Buch- und Infoläden. Die
"Sekt-Generation" der 80er forderte auch eine größere
Ästhetik ein, und u.a. war hier die Zeitschrift radikal durchaus
auch ein Vorreiter für neue Ideen im Bereich des Lay-outs, der Gestaltung
im Allgemeinen.
In der Zeit entwickelte sich auch (wieder) das Plakat zum Kaufen, mit
"Grundsätzlicheren" Themen, die einfach `in' waren. Daneben
war es aber auch immer ein Medium das die Straßenbilder beherrschte,
wenn auch nur in den Großstädten, und da oft auch nur in bevorzugten
Gegenden.
Zwischen dem Che-Plakat und dem Poster wo Frank Zappa auf dem Klo sitzt
aus den 60er nehmen immer mehr die Fahndungsplakate des Staates an Raum
in Beschlag. Dagegen setzten die verschiedenen Bewegungen, ob Frauen-,
Friedens- oder Anti-AKW-Gruppen, ihre visuellen Zeichen. 1994 bringt die
Zeitschrift CONTRASTE in Zusammenarbeit mit dem IG-Archiv in Amsterdam
eine Plakat-Mappe heraus zum Thema "Stadtguerilla" mit 14 Plakaten
im A-3-Format aus den "letzten 25 Jahren",. Ein zaghafter Versuch
das Medium Plakat aus den letzten Jahrzehnten auch als etwas historisches
zu betrachten. Plakatmappen waren in den 70er und 80er Jahren ebenfalls
von Internationalismus-Gruppen verbreitet worden. Die Mischung von Plakat
und Buch aus den letzten Jahren brachte z.B. das Buch "Kunst als
Widerstand" von Bernd Langer zusammen. Hier wurde vor allem die Arbeit
der Göttinger Gruppe KUK (Kunst und Kampf), dokumentiert, die für
eine ganze Anzahl Antifa-Plakate Ideengeberin war und ist. Längst
sind Plakate über die Kämpfe des Tages hinaus auch zu einem
bekennenden Wandschmuck geworden.
Das
Buch
Das Plakat ist die Kommunikation mit der Öffentlichkeit, mit der
Gesellschaft. Anders als bei Zeitschriften oder Broschüren, die meist
nur in geschlossenen Kreise zirkulieren, heischt das Plakat im öffentlichen
Raum um jeden Blick den es einfangen kann. Plakate markieren aber auch
einen gewissen "Linken Raum", einen Bewegungsradius der "Szene".
Nicht jedes Plakat allerdings schafft es, auch sein Anliegen zu transportieren.
Einige Plakate werden daher auch recht harsch aus der heutigen Sicht kritisiert.
Die rund 3.000 abgebildeten Plakate (incl. denen auf der CD-ROM) bilden
aber alles in allem einen ziemlich repräsentativen Einblick in die
politische Arbeit der letzten Jahrzehnte. In einschlägigen Zeitungen
und Zeitschriften der Szene wurden Anzeigen und Aufrufe gestartet, um
möglichst viele Plakate für dieses Buch zusammen zu bekommen.
Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann wohl niemand erwarten, und
die zeitliche Eingrenzung auf die letzten 20 Jahre war wohl eher der etwas
hilflose Versuch die Ansprüche an ein solches Projekt nicht zu hoch
zu stellen. So ist der Untertitel denn auch etwas zweideutig: "20
Jahre autonomer Bewegungen" liest sich auf den ersten Blick als wären
hier nur die Autonomen gemeint, aber dies sollte eben nicht der Fall sein.
Die Schwierigkeit lag nun darin, Plakate der 60er und 70er Jahre aufzutreiben,
wenngleich auch Plakate vor 1979 im Buch abgedruckt wurden. Schwierig
war auch, Plakate aus der Ex-DDR zu bekommen, und selbst aus der Nachwendezeit
sieht es noch ziemlich mau aus. Die Sammlerinnen hatten auch nichts gegen
Plakate aus der Schweiz oder Österreich, aber im Endergebnis lagen
eben nicht so viele davon vor, so dass eben letzten Endes doch mehr oder
weniger die Plakate der (West-)Autonomen hier versammelt, samt diverser
Einsprengsel. Für die Verlage - selbst in der Kooperation - war es
eine große finanzielle Anstrengung. Es sollte nicht zu teuer werden,
so dass bei der Auflage von 3.000 Exemplaren eine Deckungsauflage von
über 2.000 Stück erreicht werden muss, um die Unkosten auf Seiten
der Verlage abzusichern (normalerweise liegt die höchstens bei einem
Viertel der Auflage). Außerdem wird dieser Band vermutlich zur Folge
haben, dass jetzt weitere Plakate auftauchen, und ob dann ein zweiter
Band in gleicher Ausstattung erfolgen kann, wäre zu bezweifeln. Wenn
es hoch kommt, vielleicht eine erweiterte CD-ROM, wodurch das Projekt
- wie so einige Archiv- und Sammelprojekte - nur wieder was für Spezialistinnen
werden würde. Aber das ist alles noch in weiter Ferne.
Dieses Buch ist zugleich eine kleine Geschichte der politischen Bewegungen
in den letzten 20 Jahre, die z.T. so gar nicht mehr existieren. In den
18 Textbeiträgen geht es aber nicht nur um die diversen politischen
Bewegungen und ihre visuellen Darstellungen, auch Kleberinnen, Ästhetikerinnen
und Macherinnen kommen zu Wort. Die Beiträge, die sich mit den politischen
Kämpfen wie um die besetzten Häuser, Frauen/Lesben-Bewegung,
Soldaritäts- und Friedensbewegung, Antiimp, Antifa, Anti-AKW, Antirassismus
und Antimilitarismus usw. auseinander setzen, sind überraschend selbstkritisch,
nicht nur was die Gestaltung der Plakate angeht. Meistens sind es Rückschauen
von Menschen, die aktiv in diesen Bewegungen steckten, oder noch stecken.
Und um bloß nicht alles `nur' als umfassende politische Arbeit der
Bewegung zu betrachten kommen eben auch Leute zu Wort, die Plakate herstellen,
kleben, betrachten und darüber einfach nur reden. In den Annotationen
zu den einzelnen Abbildungen finden sich nicht nur das Erscheinungsjahr
und der vermeintliche Druckort - sofern diese rückwirkend ermittelbar
waren - sondern auch, leider jedoch noch zu wenige Anmerkungen zu den
Ereignissen um das Plakat herum. Dies hätte sicherlich noch im größeren
Umfange genutzt werden können, denn hinter jedem Plakat steckt auch
eine Geschichte, stecken Menschen, die das produzieren von Plakaten meistens
ja nicht von Berufswegen machen und/oder aus Jux und Dollerei. Im Übrigen
ist das Pseudonym der Herausgeber(Innen?) `HKS 13' nicht unbedingt der
Code für eine Geheime Gruppe von Freundinnen bedruckten Papiers,
sondern vor allem im Bereich der Druckerinnen die Bezeichnung für
die Farbe Rot, ohne die die meisten Plakate kaum auskommen.
Die
CD-ROM
Dass auf dem Buch selbst kein Hinweis auf die CD-ROM in Form eines Aufklebers
oder ein sonstiger Hinweis ist, mag ein verkaufsstrategischer Fehler sein,
denn für jene, die die technischen Möglichkeiten besitzen, verdoppelt
sich der Gebrauchswert des Buches. Auf der CD-ROM, die unter Mac und PC
läuft sind zusätzlich noch ca. 2.400 Plakate zu besichtigen.
Über eine Suchmaschine kann hier nach verschiedenen Kriterien bestimmte
Plakate gesucht werden oder via "Slideshow" kann mensch auch
alle Plakate an sich vorüberziehen lassen. Die Suche nach bestimmten
Worten oder Begriffen gestaltet sich mitunter etwas schwierig. Die Kategorien
sind mitunter nicht so tauglich, wenn mensch ein spezielles Plakat sucht.
Eine Volltext-Recherche kann aber eben auch nur funktionieren, wenn die
Texte auf den Plakaten alle eingegeben werden, und dies scheint nicht
immer passiert zu sein.
Was
fehlt
Ohne das Buch in seinem Wert, oder seiner Wichtigkeit zu schmälern,
soll hier noch kurz drauf eingegangen werden was fehlt, bzw. wonach noch
gesucht werden könnte. So lose, wie bereits in den 70er Jahren die
Sponti-Bewegung organisiert war, so entstanden auch Plakate oder Poster,
die neben dem direkten Informationsträger für Sit-Inns, Demos
usw. ein Lebensgefühl der damaligen Zeit ausdrückten - wie etwa
das Plakat "Zahme Vögel singen von Freiheit, wilde Vögel
fliegen", welches zu einem der weit verbreitetsten Motive in der
linken Szene zählt.
Wie 68 so gilt wohl heute auch wieder das schlichte Che-Guevara-Plakat,
dank der Musikgruppe "Rage against the machine" als ein angesagter
Wandschmuck. Seit den 60er Jahren hat der Grafiker Klaus Staeck mit seinen
zahlreichen Plakaten sicherlich auch zu einer Kultur der politischen Plakate
beigetragen, selbst wenn die oft im Auftrag von Gewerkschaften oder der
SPD hergestellt wurden. Wodurch sie sich allerdings für dieses Buch
nicht empfehlen, aber durchaus erwähnenswert wären.
Ab Mitte der 70er Jahre gab es in Berlin z.B. das "Produktionskollektiv
Kreuzberg" welches nicht nur eine eigene Postkarten- und Plakat-Edition
vertrieb sondern auch für zahlreiche Gruppen grafische Hilfestellungen
leistete. Die Gruppe, die sich später "SehStern" nannte,
machte z.B. Mitte der 80er Jahre ein Plakat zum Paragraphen 218, welches
ihnen prompt ein Verfahren wegen `Pornografie' einbrachte. Und nicht zuletzt
waren sie auch zuständig für die ersten Plakate, die für
eine unabhängige, linksradikale Tageszeitung werben sollten. Was
letztendes daraus geworden ist? Nun, wie so manches hoffnungsvolles Projekt
haben wir auch die taz schon seit Jahren begraben müssen, da es inzwischen
zu einem Sprungbrett karrieresüchtiger Journalistinnen verkommen
ist. Die Gruppe "SehStern" ist heute noch tätig, wenn auch
vielleicht nicht mehr ausschließlich für ein linksradikales
Klientel. Ähnlich wie das im Buch beschriebene Projekt der Druckerei
in der "Roten Flora" Hamburg.
In den 70er und 80er Jahren gab es z.B. einige Motive im Zusammenhang
mit den Aktivitäten der Nordamerikanischen Ureinwohner. Von Gerhard
Seyfried gab es auch einige nette Plakate, wie das vom dem fein säuberlich
auseinander gelegten Panzerfahrzeug, oder dem wildgrinsenden Latzhosenmännchen
mit der Zwille. Und was war mit dem Tunix-Kongress in Berlin von 1978?
Wo sind die Plakate der Stadt-Land-Projekte und Kongresse usw. Plakative
Revolutionsdevotionalien - bunt, und dafür gut, um einen schlecht
gestrichenen Untergrund an der Zimmerwand in einfacher Weise zu verschönern.
Und
noch'n Plakat
Den Macherinnen muss klar gewesen sein, hier nur einen Teil der linksradikalen
Plakate zusammengetragen zu haben. Es kann wohl auch nie behauptet werden,
alle zu haben. Diesen Anspruch hat das Buch aber auch nie gehabt. In seinem
Umfang ist es bisher einzigartig. Die Texte mit ihren politischen Einschätzungen
werden sicher bei einigen Rezensenten Widerspruch herausfordern, aber
gerade das Sammeln und dokumentieren der Plakate in einem kontroversen
Raum macht das Buch lebendig und lässt es nicht `nur' zu einem Archivierungsprojekt
verkommen. Selbst wenn es gegen Schluss den Eindruck machen sollte, aber
eigentlich gibt es nichts zu meckern. Das Buch "hoch die kampf dem"
ist ein Projekt, welches wärmsten zu empfehlen ist. Vielleicht regt
es ja auch an mal ein Plakat zu machen, und den Mauern einen Sinn zu geben..
Weitere
Infos zum Plakat-Archiv gibt es bei: Archiv der Sozialen Bewegungen Hamburg,
Schulterblatt 71, D-20357 Hamburg, Tel.: (0 40) 43 30 07, Fax: 432 47
54, sowie bei der Buchhandlung Schwarze Risse Berlin
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Anfang
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Jochen
Knoblauch
Interview mit Klaus Viehmann Den Mauern einen Sinn geben
CONTRASTE- Monatszeitung für Selbstorganisation / Nr. 184 /Januar
2000, S. 7
Klaus
Viehmann ist einer der Herausgeber des Buches "hoch die kampf dem",
die hier den Gruppennamen HKS 13 haben. HKS 13 das ist im "Druckerlatein"
die Bezeichnung für eine ganzbestimmte rote Druckerfarbe, die auf
sehr vielen der linken Plakaten vorkommt.
Knobi:
Im Buch wird kurz angesprochen, dass du das Plakat zum Tod von Ulrike
Meinhof "Es gibt viele Arten zu töten..." geklebt hast.
- Anfang der 80er haben wir vom Kneipenkollektiv das im Übrigen nachdrucken
lassen und für die Knastkasse verkauft, ein immer noch sehr eindrucksvolles
Plakat. - Wie war das damals, hast du Lust darüber etwas zu erzählen?
Klaus: Das war im Mai 1976 gewesen, ein paar Wochen später
bin ich aus anderen Gründen "untergetaucht" und war dann
die 80er Jahre über wegen Mitgliedschaft in der Bewegung 2.Juni und
anderem im Knast. Nach der Meldung vom Tod Ulrike Meinhofs hatten sich
in der ESG in der Westberliner Carmerstraße Leute aus der damaligen
Berliner Roten Hilfe, aber auch viele andere Linke und die vom Komitee
gegen die Folter - vergleichbar mit den späteren Antiimps - getroffen.
Es gab von den "undogmatischen" Linken schon diesen Plakatentwurf,
der binnen weniger Stunden in einer linken Druckerei in einer 1.000er
Auflage gedruckt wurde. Ein anderes, kleineres Plakat, zeigte Ulrike beim
Hofgang im Knast Köln-Ossendorf, an den Text kann ich mich nicht
mehr entsinnen. Über "unser" Plakat gab es ein wenig Streit,
weil manche meinten, es werde nicht explizit von Mord gesprochen, wir
würden uns nicht eindeutig verhalten. Ich fand und finde den Text
aber richtig. Übrigens aus einem Gedicht von Bertolt Brecht, manche
denken heute, der sei von Ulrike selbst.
Knobi:
Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, besteht HKS 13 aus Sebastian
Haunss, Markus Mohr und dir. Ihr lebt nicht in der selben Stadt, war jetzt
der Gruppenname eher für dieses Buch-Projekt gedacht, oder versteht
ihr euch darüber hinaus als Gruppe?
Klaus: HKS 13 ist einfach nur ein Name für die Herausgabe
dieses Buchs, den wir ganz treffend und witzig fanden. Hätten wir
keinen Herausgeber, würde außerdem die Deutsche Bibliothek
den Verlag nerven, weil die in ihrer Datei halt ein Feld für Autorin
bzw. Herausgeber haben und das sonst nicht in ihren Computer eingeben
können - wir mussten bei einem andern Buch schon mal jemanden erfinden.
Aber zu deiner Frage: wir kannten uns schon vorher, hatten unterschiedlich
viel miteinander zu tun, haben aber beim Plakatbuch zum ersten mal alle
zusammengearbeitet. Neben dem gemeinsamen Redigieren und Betreuen der
Texte hat sich Sebastian in erster Linie um die Sammlung und Digitalisierung
der Plakate gekümmert, Markus konnte als wandelndes Bewegungslexikon
zu den meisten Plakaten die Geschichten liefern, die sich dann in den
Bildunterschriften niedergeschlagen haben und ich habe das Buch noch von
der Verlagsseite aus betreut. Gemeinsam haben wir die Artikel bei Genossinnen
"bestellt" und dann überarbeitet, das waren oft kontroverse,
aber immer ergiebige Diskussionen. Die Einleitung haben wir dann zusammen
geschrieben. In Zukunft werden wir uns weiter um dieses Buch, aber auch
ein wenig um den Aufbau eines Plakatarchivs kümmern und vielleicht
bei einem anderen Buchprojekt wieder zusammensitzen, mal sehen.
Knobi:
Mit 39.80 DM ist das Buch, obwohl es natürlich auch viel Geld ist,
immer noch ziemlich preiswert. Ist dies nicht ein finanzielles Wagnis
für die Verlage, denn Druck, Verarbeitung und Gestaltung sind ja
doch sehr aufwendig, was für kleine Verlage, die meist auch noch
unterkapitalisiert sind?
Klaus: Das ging nur, weil wir praktisch die gesamten technischen
Arbeiten wie Bildbearbeitung, Scannen, etc. selbst gemacht haben. Das
alles und die ganze Vorbereitung, also Reisen zu Archiven, das Fotomaterial
und die Gerätschaften für die Digitalisierung der Plakate waren
nur durch unbezahlte Arbeit, privates Geld und Reste anderer Projekte
vorfinanzierbar. Löhne hätten das Buch wenigsten 68 DM kosten
lassen. Die DruckerInnen haben sehr günstig gearbeitet und einige
linke Zeitungen haben uns durch Vorabdrucke - also unbezahlte Werbung
- unterstützt. Die Druckrechnung ist durch einen privaten Zwischenfinanzierungskredit
gesichert, aber wir müssen fast alle der 3.000 gedruckten Bücher
auch verkaufen, um das wieder reinzukriegen. Der Aufruf im Buch, das Buch
als Bewegungsprojekt zu begreifen und entsprechend zu unterstützen,
ist sehr ernst gemeint - andernfalls können sich solche Bücher
nur noch die leisten, die genug Geld haben, aber wir wollten gerade auch
Infoläden und Jugendliche erreichen.
Knobi:
Ihr habt euch ja mit dem Buch quasi eine Sisyphusarbeit aufgehalst, nicht
nur, dass das Zusammentragen von 3.000 Plakaten Arbeit gemacht hat, sondern
jetzt werden ja wohl noch Nachzügler kommen - ich habe z.B. auch
noch welche - wie kann also die Arbeit eines solchen Plakat-Archives aussehen?
Klaus: Sammeln, sortieren, in eine Datenbank aufnehmen, fotografieren,
digitalisieren, auf CD brennen. Das wäre die Technik, natürlich
wäre es vor allem aber ein politisches Projekt und die Plakate müssen
allgemein zur Verfügung stehen, entweder über eine Internetseite,
über regelmässige "Update-CDs" oder sonst wie. Schön
wäre eine Diskussion über die gesammelten Plakate und wenn sich
Leute die Originale oder Daten ansehen können, am besten, um selber
neue - und gute - Plakate zu machen. Für das Hamburger Plakatarchiv
im Archiv der sozialen Bewegungen, was in der Roten Flora beheimatet ist,
laufen zur Zeit Spendenanträge, die sind aber noch nicht entschieden.
Denn so ein Archiv ist nicht billig und braucht viel Arbeitszeit.
Knobi:
Bei den politischen wie auch theoretischen Beiträgen fiel mir eine
Sache besonders auf: Die AutorInnen sind fast alle unter 40 Jahren, also
relativ jung - im Gegensatz zu uns beiden -, dafür sind aber die
Beiträge zum Teil ziemlich abgeklärt. Habt ihr euch die AutorInnen
nach besonderen Kriterien ausgesucht?
Klaus: Wir haben nach politisch engagierten AutorInnen gesucht,
die zu Plakaten, bzw. zu den visuellen Ausdrucksformen z.B. der Internationalismus-
oder Frauenbewegung bereits etwas diskutiert oder geschrieben hatte. Und
wir haben Leute gefragt, die zwar ungern Texte verfassen, aber viel von
Grafik verstehen, Plakatmacherinnen eben. Abgeklärt zu sein ist sicher
kein Privileg der über 40-jährigen, die über 25-jährigen
sind das heute auch ... Wichtig war uns und allen AutorInnen, kein Buch
zu machen, dass die autonomen Bewegungen hochleben lässt und unkritisch
gegenüber den eigenen (Plakat-)Erzeugnissen ist. Ein glattes Buch
ohne Reibungspunkte würde wenig Nutzen haben, und wir wollen ja alle,
dass wenigstens "unsere" Plakate besser werden in einer politisch
eher schlechter werdenden Situation. (Denk bitte nicht, wir sähen
Plakate als das linke Heilmittel - aber sie sind schon wichtiger, als
mensch manchen ansieht).
Knobi:
Dann fiel mir noch allgemein auf, wenn mensch so geballt linksradikale
Plakate auf einen Haufen sieht, dass sie doch im direkten Vergleich zu
den Werbeplakaten des Kapitals stehen, mal abgesehen von den verschiedenen
technischen Aufwand, der sich ja im Übrigen immer mehr angleicht.
Da sieht z.B., dass in dem Buch aus grafischer Sicht hochgelobte Plakat
vom Berliner Ermittlungsausschuss, doch genauso aus wie Werbung für
verschiedene Dosensuppen, wenn die entsprechenden Unterschriften nicht
wären. Wer will da denn wem was vormachen? Oder anders gefragt: Wie
viel Design braucht das politische Plakat?
Klaus: Im Buch ist ein schöner Artikel von Sandy k., wo es
genau um diese Frage geht. Auch im Artikel von Kerstin Brandes über
Frauenplakate werden ein paar grundsätzliche Reflexionen über
Bilder und das, was sie aktivieren wollen/sollen angestellt. Dass Werbefuzzis
sich auch Gedanken über das Wirken von Plakaten machen, ist zwangsläufig,
aber da ist doch der Unterschied, für was. Umgekehrt schadet linken
Zwecken eine entsprechende Gestaltung, sprich Verbreitung, grafisches
Können und Wissen über subtile Wirkungen von Bildern im gesellschaftlichen
Kontext ganz bestimmt nichts. Ich glaube, dass in der linken Geschichte
99% der Redezeit Texte betraf und nur 1% Bilder. Ein paar Prozent mehr
sind in einer visualisierten Welt sicher angebracht.
Knobi:
Manchmal wurden in dem Buch - auch zurecht - einige Plakate heftig kritisiert.
Was glaubst, wird euer Buch jetzt bewirken, dass mehr Leute Plakate, und
vielleicht 'bessere' machen werden, oder ob das vielleicht auch mehr abtörnend
wirken könnte?
Klaus: Manche Plakate haben uns beim Auspacken der Postrollen wirklich
erschauern lassen. (Und manche waren ganz toll!) Bei manchen merkt mensch,
dass sie nicht "funktionieren", dass es eher große Flugblätter
sind, die mit dem Format, den Farben, den Fotos und der Zusammenstellung
nichts produktives anfangen können. Ganz klar: Vor ein paar Jahren
hätten wir Plakate weniger genau und weniger kritisch betrachtet,
aber wir lernen ja ständig dazu. Abtörnend soll das Buch gerade
nicht sein, es wird ganz bestimmt viele für das Plakatemachen interessieren
und mit dem Buch und der CD gibt es jetzt reichlich Anschauungsmaterial.
Danke
für das Gespräch. Ich hoffe, dass sich euer Buch gut verkauft,
und wir bald mehr von eurem Archiv-Projekt hören werden.
zum Anfang
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Interview
von Jochen Koblauch mit Tommi Krippner
Von zahmen und wilden Vögeln
Contraste, Heidelberg Januar 2000
In
dem Buch "hoch die kampf dem" ist u.a. das Plakat "Zahme
Vögel singen von Freiheit wilde Vögel fliegen" abgebildet.
Das Original von 1980 war mit einem Copyrightzeichen versehen und hatte
eigentlich den Untertitel "Zahme Vögel singen von Freiheit die
wilden fliegen". Es gilt als eines der meist reproduziertesten Motiven
in der linken Szene, obwohl KritikerInnen es auch als kitschig bezeichnen.
Der Urheber dieses Plakates Tommi Krippner lebt in Berlin. Das kurze Gespräch
mit ihm wurde im November 1999 geführt. J.K.
Knobi:
Wie ist damals das Plakat entstanden, bzw. wie bist Du auf die Idee gekommen
dieses Plakat zu machen?
Tommi: Ende 1979, Anfang 1980 waren wir auf Jamaika, 12 Langhaarige
auf Reggä-Tour. Damals waren Poster schwer angesagt, die Kneipen
und Wohnungen waren voll damit, und auf einem Tisch im "Schwarzen
Café" las ich den Spruch: "Zahme Vögel singen von
Freiheit, wilde Vögel fliegen". Ich habe zu der Zeit viel gemalt
und so kam mir die Idee auch mal ein Plakat zu machen. Mit Hilfe eines
Bildbandes über Greifvögel aus der Charlottenburger Stadtbücherei
und dem noch anhaltenden tropischen Gefühl von Jamaika in den Knochen
entstand das Motiv und wurde direkt umgesetzt. Also nichts mit Plattencover
aus den USA usw., so wie es in dem Buch "hoch die kampf dem"
vermutet wird. Die erste Auflage wurde in Essen gedruckt und damals über
den Regenbogen-Buchvertrieb unter die Leute gebracht. Eine Mark habe ich
pro Plakat verdient.
Knobi:
Hast Du das als politisches Plakat gesehen?
Tommi Krippner: Ich weiß nicht, was ist nicht politisch? Man wollte
und will sein Lebensgefühl ausdrücken. Ich hatte Lust das Plakat
so zu malen, und viele Leute damals wie heute hatten und haben Lust sich
das Plakat an die Wand zu hängen. Ist doch toll.
Knobi: Hast Du Dich denn politisch betätigt?
Tommi Krippner: Wir haben demonstriert für die besetzten Häuser
und gegen die Atomkraftwerke. Wir haben uns doch eigentlich über
alles aufgeregt. Wir hassten fremd bestimmte Arbeit und machten was wir
wollten. In einer Partei war ich nie, aber auf so mancher Demo. Was hältst
Du davon, dass Dein Plakat kitschig sein soll?
Knobi:
In dem Buch "hoch die kampf dem" schreibt die Autorin Asea Eckenreich,
dass Dein Plakat wohl das bekannteste ist, und gleichzeitig findet sie
es kitschig.
Tommi Krippner: Ist doch wohl klar. Es ist das bekannteste Plakat
geworden, weil es kitschig ist. In meinem Wohnzimmer hängt ein Ölbild
mit Herbstlandschaft ich höre gerne Hardcore-Country. Aus dem Gefühl
heraus entsteht kreatives, wer will sagen was Kitsch ist? "Zahme
Vögel..." ist Kitsch-Kunst, welche vielen Leuten Freude gemacht
hat und vielleicht immer noch macht. Wie ihr es nennt ist doch egal! Und
anscheinend ist es auch weit rumgekommen. Ein Freund hat es selbst in
Nepal gesehen. Das Motiv wurde auch auf eine Toreinfahrt eines besetzten
Hauses gemalt usw. Und natürlich sehr oft nachgedruckt.
Knobi:
Was geht Dir durch den Kopf ,wenn Du heute junge Leute siehst, die das
Motiv als Aufkleber haben, oder als T-Shirt?
Tommi Krippner: Dann denke ich, die müssen ja irgendwie so
drauf sein wie ich damals. Bei all den Konsum-Kids lässt das hoffen.
Damals wolltest Du ja mit Deinem Plakaten Geld verdienen, was ja nun nicht
so hingehauen hat.
Knobi:
Heute ist Dein Motiv von den "zahmen und den wilden Vögeln"
quasi ein Gemeingut. Wie findest Du das?
Tommi Krippner: Damals habe ich mich geärgert, wenn wieder
mal so ein Schwarzdruck auftauchte, und meine eine Mark pro Plakat flöten
war. Heute finde ich es gut, dass es noch immer im Umlauf ist. Man freut
sich doch darüber, wenn man was gemacht hat, und nach 20 Jahren finden
die Leute es immer noch gut.
Knobi:
Es war ja nicht Dein einziges Plakat in dem Buch ist noch das "Bakery-Plakat"
(auf 5.194). Und dann gab es da noch das Poster "Nur wer den Mut
zum Träumen hat, hat die Kraft zu Kämpfen"? (1)
Tommi Krippner: Ja, ich habe dann noch ein paar mal Motive von
mir drucken lassen, die waren aber nicht so erfolgreich wie "Zahme
Vögel..."
Knobi: Du hast zu der Zeit ja auch viel gemalt, z.B. ein Bild über
Brockdorf oder eins mit dem Titel "Deutschland muss sterben, damit
wir leben können"?
Tommi Krippner: Ja, ich habe einige Bilder auch mit Wut im Bauch
gemalt. Würde ich heute noch viel malen bei dieser Schröder-Bande
gäbe es sicherlich wieder kreative Wutausbrüche.
KnobI:
Wenn Du jetzt so eine Interpretation über Dein Plakat liest, wie
das in dem Plakate-Buch "hoch die kampf dem" geschrieben worden
ist, hast Du das Gefühl, dass es zerredet wird oder interessiert
es Dich schon was darüber geschrieben wird?
Tommi Krippner: Es interessiert mich natürlich wen jemand
meine Bilder, in diesem Fall das Plakat, kritisiert. Allerdings finde
ich viele Passagen der Interpretation als bla-bla - in Anführungszeichen.
Das Poster ist aus meinen individuellen Gefühlen entstanden, und
dient "einzelnen Subjekten" - Zitat - zu träumen. Davon
haben in 20 Jahren viele Leute Gebrauch gemacht, that's it! Ich wollte
niemand verhöhnen mit der Aufforderung zu Fliegen. Im Großen
und Ganzen ist mir der Beitrag von Frau Asea Eckenreich viel zu kopflastig.
Ein bischen Erbauung für alle Vögel, na und! Die Freiheit sollte
süßlich sein.
Danke für das Gespräch.
(1)
Dieses Plakat, sowie das "Zahme Vögel"-Plakat gibt es u.a.
noch in der Buchhandlung Schwarze Risse in Berlin.
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Arranca
LAYOUT-Crew
HKS 13 (Hg) Hoch die Kampf dem - 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen
in Arranca Nr 19 / 2000
Geschichte
zu dokumentieren ist immer wertvoll. Und viel Arbeit. Vor allem, wenn
man sich vornimmt, ein Medium zu dokumentieren, das lange genug von der
"Autonomen Szene" lieblos behandelt wurde. Plakate fungier(t)en
in der Regel als Schlusslicht eines wie auch immer gearteten Diskussions-
und Aktionsprozesses, dabei haben Plakate eine viel weitreichendere Funktion.
Die
Rahmenbedingungen
Mit dem Buch "Hoch die Kampf dem" haben sich die AutorInnen
vorgenommen, 20 Jahre Plakatproduktion undogmatischer linker Bewegungen
zu dokumentieren, die sie mal mit "Neuen Sozialen Bewegungen",
mal mit den "Autonomen" oder mit Bewegungen, in denen die Autonomen
nur ein Teil sind, gleichsetzen. Es wird kein triftiger Grund angeführt,
warum Plakate von Parteien oder parteiähnlichen Gruppierungen wie
den frühen Grünen, dem KBW, BWK, ... nicht in die Betrachtung
aufgenommen wurden. Dies wäre sicherlich sinnvoll gewesen, um einen
umfassenden Blick auf die "Ästhetik" der "Neuen Sozialen
Bewegungen" der BRD zu gewinnen. Zum einen gab es ja einen regen
personellen Austausch zwischen den oben genannten Parteigängerinnen
und den Autonomen, zum anderen stellten auch diese Gruppen Plakate aus
meist unprofessionellem Background her, die Aktivistinnen plakatierten
sie ebenso bei Nacht und Nebel und sie hatten einen Anspruch an die Wirkung
von Plakaten, der z.B. dem der autonomen Antifa- und Anti-AKW-Bewegung
ziemlich nahe kam und kommt. Hieran wird deutlich, dass sich die AutorInnen
nicht die nötige Mühe machten, zwischen den 70ern, 80ern und
90ern zu unterscheiden - zumindest, was die Plakate angeht.
Die AutorInnen gehen nicht darauf ein, dass sich bei einigen politisch
arbeitenden Zusammenhängen mit den Jahren die Analysen stark geändert
haben, die gesellschaftlichen Bedingungen andere sind und sich dies selbstverständlich
im Anspruch an Plakate ausdrückt. In den letzten Jahren haben sich
auch die politischen Ansprüche zum Teil stark geändert: Politische
Gruppen treten mit dem Anspruch an, gesellschaftlich zu agieren, und wollen
nicht mehr nur ihre politischen Ideale der Gesellschaft vorleben. Der
Antifa-Bewegung, Teilen der AntiRa-Bewegung oder Gruppen mit einem gesamtgesellschaftlichem
Anspruch z.B. geht es nur noch sekundär darum, die eigenen Freiräume
zu verteidigen, sie haben vielmehr den Anspruch, in die Gesellschaft zu
wirken. Das Ergebnis sind komplett andere Plakate, die auch an anderen
Orten als im eigenen Kiez geklebt werden, und deren Stil und Bildersprache
sich bisweilen doch unterscheiden.
Der Einfachheit halber sind die Artikel entlang von verschiedenen Teilbereiche,
die es vor 30 Jahren gab und heute immer noch gibt, geschrieben. Eher
neue Teilbereiche, wie z.B. sozialer Widerstand, fallen so untern den
Tisch oder werden einfach unter dem bereits bekannten Sammelbegriff der
autonomen Szene subsumiert.
Die
Bildanalysen
Die AutorInnen definieren in dem Buch an keiner Stelle gemeinsame Kriterien,
mit denen sie die dargestellten Plakate diskutieren. Begriffe wie "gestalten",
"Ästhetik", "schön", "schlecht",
"funktioniert", ... bleiben so wortleere Hülsen, mit denen
nichts Klares verbunden werden kann. So kommt es dann zu solchen Schlussfolgerungen,
wie sie im Kapitel "Die Freiräume verteidigen" gemacht
werden. Am Beispiel eines Plakates zu den Innenstadt-Aktionstagen werden
abenteuerliche "neue" Fragen aufgeworfen: "Werden die Leute
auf das Plakat reagieren? Erfassen sie sofort, um was es geht, und merken
sich schon beim ersten Hinsehen den Termin oder andere Einzelheiten? Haben
die Macherinnen politischen Instinkt gezeigt und den richtigen Ton getroffen?"
Sind das wirklich die Fragen, die sich "gute" politische Plakatgestalterinnen
stellen müssen? Tragen "Professionalisierung und neue technische
Möglichkeiten dazu bei, dass die meisten Plakate nun attraktiver
werden und eine eindeutige Bildersprache verlassen" (?), wie es die
AutorInnen des Beitrags zu internationalistischen Plakaten meinen.
Schade, dass das Buch diese Fragen nur ankratzt und nicht diskutiert,
sondern es lediglich Feststellungen gibt, dass es z.B. keine "Rezeptesammlung
für den politischen Erfolg von Häuserkampfplakaten(!)"
gäbe. Einen Lichtblick in dieser Kategorienlosigkeit ist der Artikel
"Design, jenseits von schönen Plakaten", der einen Diskussionsbeitrag
zu der Frage, was ein politischer Ansatz für Plakatgestaltung sein
könnte, leistet. Doch bleibt dieser Beitrag im luftleeren Raum stehen.
Vielleicht sollten wir in Zukunft das etwas "ruhigere" DIN A2
Querformat (!?) verwenden, wie uns die AutorInnen des Kapitels "Die
Freiräume verteidigen" vorschlagen.
Das Plakatbuch ist ob des vielen Textes, der eigentlich gelesen sein will,
kein Bilderbuch zum Durchblättern und ob der inhaltlichen Beliebigkeit
der Texte keine kritische Auseinandersetzung mit dem Medium "politische
Plakate" geworden. Obwohl die meisten Vorlagen DIN-Format haben,
wurden sie trotzdem in völlig unterschiedlichen Formaten reproduziert,
damit möglichst viele Plakate Platz haben. Da aber doch nicht alle
dreitausend Plakate ins Buch gepasst haben, stellt sich uns die Frage
nach dem Sinn dieser Anordnung einmal mehr. Ferner stellten wir uns die
Frage, aus welcher Motivation Plakate groß abgebildet wurden und
warum manche klein. Sind die großen Abbildungen besonders gute oder
besonders schlechte Beispiele? Form und Inhalt des Buches erschlagen sich
so gegenseitig. Das Buch "Hoch die Kampf dem - 20 Jahre Plakate autonomer
Bewegungen" ist ein leider nicht gut gelungener Versuch einer Diskussion
und Darstellung linker politischer Plakate in der BRD. Doch für Leute,
deren Anspruch lediglich der ist, einen Katalog autonomer Plakate zu besitzen,
lohnt es sich, das wirklich günstige Buch mit beiliegender CD-Rom
mit weiteren Plakaten zu kaufen.
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Wolf-Dieter
Vogel
Hoch lebe die plakative Solidarität / Einst voll subversiver Kraft,
jetzt Sammlerstücke für Grafik-Fans: die Poster der alternativen
Szene
in Süddeutsche Zeitung vom 28. Februar 2000
Sie
kleben an verrotteten U-Bahnhofmauern, zieren angeschimmelte Häuserwände
und verdecken graue Stromkästen. Zwischen den vielen Werbeanschlägen
kaum mehr wahrgenommen, bleiben die Plakate der sozialen Bewegungen dem
flüchtigen Betrachter oft nur als kuriose Bilder in Erinnerung: kleine
Mädchen etwa, eine Schleuder fest im Griff, wild und immer bereit,
"die Nazis" aus dem Stadtteil zu jagen. Oder braun gebrannte
Männer, glücklich strahlend, die linke Hand heroisch zur Faust
geballt. Darunter in großen Lettern: "Hoch die internationale
Solidarität." Oder: "Kampf dem Atomprogramm."
Politkunst fürs Museum
Wohl deshalb haben sich die Herausgeber eines Buches über Plakate
wie diese für den etwas fragmentarischen Titel "hoch die kampf
dem" entschieden. Meist bunt und unübersichtlich gestaltet,
erobern sich die Wandanschläge den öffentlichen Raum auf eigene
Weise. Manchmal aggressiv, manchmal ironisch stehen sie als Zeugen für
ihre heute kaum noch wahrnehmbaren Produzenten. Sie wollen aufrütteln,
informieren, mobilisieren: gegen Rechtsradikalismus, für Jugendzentren
oder Frauenpower. Gut und Böse sind freilich eindeutig verteilt -
was taugen schließlich Plakate ohne plakative Wirkung? Und so schimmert
zwischen "nieder mit" und "wehrt euch" selten ein
differenzierter Blick auf gesellschaftliche Konflikte durch. Doch im Gegensatz
zu den meist unbekannten Herstellern der rund 3000 Exemplare, welche die
Herausgeber aus Archiven alternativer Druckereien und Wohngemeinschafts-Dachböden
zusammensammelten, bemühen sich die 15 Autoren und Autorinnen in
ihren Beiträgen um Differenziertheit. Gründlich klopfen Kunsthistoriker,
Gestalter und (Ex-)Aktivisten die "Politkunstwerke" auf ihre
Tauglichkeit ab. Gestaltung, so beschreibt der Berliner Grafiker "sandy
k.", hört schließlich nicht beim Plakatrand auf. Soll
die "temporäre Aneignung von oft privatisierten öffentlichen
(visuellen) Räumen" gelingen, müssen Straße, Hauswand
oder Mauer immer mitgedacht werden. Schon deshalb verlieren die etwa 500
vierfarbig dokumentierten Plakate in dem außerordentlich schön
gestalteten Buch jene subversive Wirkung, für die sie einst angetreten
waren. In Verbindung mit den restlichen auf einer mitgelieferten CD abrufbaren
Postern erinnern sie fast schon an moderne Museumsstücke, hergerichtet
zur historischen Sezierung. Wird so vergangene Gegenwart konserviert,
bevor sie zu Geschichte geworden ist?
Genossin mit Gewehr und Kind
Jedenfalls dürfte kaum ein Geschichtsbuch authentischer Auskunft
geben über Sehnsüchte, Utopien und auch Grenzen jener Generation,
die in Folge der 68er-Bewegung gegen Atomenergie, Fremdenfeindlichkeit,
Neonazismus und Frauendiskriminierung auf die Straße gegangen ist.
So werden beispielsweise die Projektionen untersucht, mit denen die deutsche
Solidaritätsbewegung den Menschen der Dritten Welt gegenübertrat.
Hier wurden oft Wunschbilder propagiert und Reduktionen betrieben, "die
mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben". So rief etwa das Bild eines
Guerilleros zur Demonstration auf, in dessen Haltung eine unbändige
Entschlossenheit zum Ausdruck kommt, das Begonnene zu Ende zu führen
und dafür auch mit dem Tode zu bezahlen - der Mythos des edlen Wilden
als Vorbild für den metropolitanen Linken. Ähnlich fragwürdig
der Blick auf die lateinamerikanische Frau: plakativ reproduziert wurde
sie dem deutschen Betrachter als kämpfende, freilich emanzipierte
Genossin präsentiert, die stets das Gewehr auf der Schulter und nebenbei
das Kind in den Armen trägt.
Benetton als wahrer Radikaler
Apropos Kinder: In der autonomen Bewegung erfreute sich das "rebellische
Kind" besonderer Beliebtheit. Nach dem Verlust aller linken Gewissheiten,
so stellt ein Autor mit dem Pseudonym "H. Frankfurter" fest,
sei es dieses Motiv gewesen, das "die Legende der unbeschwerten,
jugendlichen, erfolgreichen und schönen" Aktivisten bebilderte.
Ob gegen die Frankfurter Startbahn-West oder fürs selbstverwaltete
Jugendzentrum, die kecken Gören vom Schlage Pipi Langstrumpfs oder
der kleinen Strolche durften nicht fehlen. Dass hier Effekte genutzt werden,
die ebenso von der Werbeindustrie verwendet werden, schien gerade jene,
die sich immer besonders gegen Vermarktung zur Wehr setzten, wenig zu
stören. Mit dieser Verbindung von kritischer und warenförmiger
Ästhetik setzt sich auch das Buch zu wenig auseinander. So wird etwa
die Zunahme qualitativ hochwertiger Plakate ausschließlich auf erweiterte
technische Möglichkeiten zurückgeführt. Wer aber heute
mit radikalen Werbestrategen mithalten will, dürfte kaum umhin kommen,
sich die Gesetzmäßigkeiten dieses Marktes zu eigen zu machen.
Gewohntes durch Provokation zu durchbrechen, zeichnet die "United
Colours of Benetton" genauso aus wie den gemeinen Protestler - man
denke an das Bild jenes von albanischen Flüchtlingen überfüllten
Schiffes, mit dem die Kleidungshersteller zu Felde zogen.
Warum die Ästhetik sozialer und politischer Bewegungen Pate stand,
wenn es galt, innovativ zu sein, kann das Buch folgerichtig nicht beantworten.
Wie auch in manchen Texten, die zwischen den mehrheitlich hervorragenden
Analysen durch fehlende Distanz auffallen, bleiben die Autoren zu sehr
im eigenen Mikrokosmos verhaftet. Dabei dürfte doch gerade die Illusion,
sich jenseits der kritisierten kapitalistischen Wirklichkeit einrichten
zu können, zum weitgehenden Scheitern der Bewegungen beigetragen
haben.
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Ohne
Namen
Autonome grafik
Publishing Praxis (Ostfildern) vom Mai 2000 S. 79-80
Plakatgestaltung
in der autonomen Szene
"hoch die kampf dem - 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen"
ist ein Buch voller Plakate. Plakate wie sie aber ganz sicher nicht zum
Alltag eines Werbe-Studios gehören, sondern um grafische Arbeiten,
die nur im weitesten Sinne etwas mit "Werbung" zu tun haben.
Sie mobilisieren für Solidarität mit Befreiungsbewegungen ,
sie richten sich gegen Rassismus, Sexismus, Faschismus oder Kapitalismus,
sie protestieren gegen die Polizei und den deutschen Staat, sie rufen
auf zu Demonstrationen und Hausbesetzungen, Blockaden und anderen Aktionen;
und nicht zuletzt versuchen sie immer wieder die Gedankenwelt eines anderen
Lebens zu vermitteln. Richtig: es geht um Plakate und die Politik der
autonomen Szene.
Die Herausgeberinnen, selbst aus der autonomen Szene, nennen sich HKS
13 und tragen damit der Tatsache Rechnung dass die eindeutig häufigste
Farbkombination in den Plakaten schwarz / rot ist. Der Plural im Titel
" ...autonomer Bewegungen" wurde von ihnen bewusst gewählt.
Die autonome Szene ist eben keine einheitliche Bewegung, sondern setzt
sich aus vielen einzelnen Bewegungen zusammen, die sich entweder zeitlich
abgelöst haben oder zu unterschiedlichen Themenbereichen arbeitet.
Im Gegensatz zu der kommerziellen Plakatherstellung wurden die hier vorgestellten
Plakate nicht von professionellen Büros layoutet und hergestellt.
Der Entwurf und teilweise auch die ganze Produktion wird von den Leuten
durchgeführt, die an den Aktionen selbst beteiligt sind. da es sich
dabei in den seltensten Fällen um Spezialistinnen handelt und die
finanziellen Mittel beschränkt sind, hat sich eine ganz eigene Gestaltungskultur
entwickelt. In der Regel fehlen Vermerke über Herbstellerinnen und
V.i.s.d.P., so dass Plakate nicht einzelnen Künstlerinnen, sondern
immer der gesamten Bewegung zuzuordnen sind.
Nicht wiedergeben kann das Buch die Plakate in ihrer eigenen Umgebung.
Ein Plakat an die Hauswand eines CDU-Abgeordneten geklebt, der "gerade
dabei ist das in der Verfassung verankerte Asylrecht zu liquidieren",
bekommt durch den Kontext eine zusätzliche Bedeutung, so die Herausgeberinnen.
Auch stellen die Plakate vor allem in Großstädten eine Kennzeichnung
der "Szene-Viertel" dar. Dies ergebe sich schon alleine daraus,
dass, wie schon erwähnt, die Aktivistinnen die Plakate selber verkleben
und sich deren Aktionsraum eben auf die unmittelbare Umgebung ihrer Wohnungen
und Zentren beschränke. Überhaupt scheint der Akt des "heimlichen
Plakatierens" und das benutzen von nicht legalen Flächen oder
dem Überkleben der kommerziellen Werbung für die Aktivistinnen
zum politischen handeln dazuzugehören. Ganz konsequent widmeten die
Herausgeberinnen dem Kleben ein eigenes Kapitel, in dem ein nächtlicher
Rundgang mit Kleistereimer und Plakatrolle beschrieben wird.
Die Einteilung der Plakate im Buch folgt nicht gestalterischen Kriterien
sondern ihren Inhalten. So sei es zum Beispiel der Antiimperialismus,
die autonome Frauenbewegung, die Hausbesetzungen oder die Antifa-Szene.
In den häufig sehr kritischen Texten versuchen unterschiedliche Autorinnen
jeweils Geschichte und Inhalte der Teilbereichsbewegung wiederzugeben
und deren Symbolik in den Plakaten darzustellen, zu deuten und zu kritisieren.
Im Kapitel über die Antifa-Plakate wird, um ein Beispiel zu nennen,
sich kritisch mit "der Faust" auseinandergesetzt, die nach Ansicht
der AutorInnen viel zu häufig auch in Plakaten des politischen Feindes
in den 20er- und 30er-Jahren auftaucht und darüber hinaus als Symbol
für männliche Stärke nicht zu einer gleichberechtigten
Bewegung passt.
Einen kleinen Einblick in die Hintergründe der autonomen Plakatgestaltung
vermittelt das Kapitel, in dem die Gruppe "Druck und Propaganda"
aus dem Hamburger Schanzenviertelliegenden autonomen Zentrum "Rote
Flora" ihre Geschichte und Grundsätze schildert. Hier erfahren
die Leserinnen auch einige Anekdoten, wenn zum Beispiel eines ihrer Plakate
beim Vorbereitungsplenum für ein Straßenfest durchfiel, weil
die abgebildeten an Supermann angelehnten Personen (Schanzengirl- und
boy) beide den Buchstaben S auf der Brust trugen. Zusammengelesen ergab
sich die dann untragbare Zeichenkombination "SS". DesigerInnen
- und Werbefachleute werden sich wohl am ehesten im Kapitel über
das Design der Plakate zu Hause fühlen. Hier setzen sich die AutorInnen
mit der Gestaltung der Plakate unabhängig vom politischen Anspruch
auseinander. Nicht selten führt ja gerade das "Low-Budget-Design"
zu überladenen und schlecht lesbaren Plakaten. Ein extremes Beispiel
unter anderen sind hier stark vergrößerte Flugblätter,
die dann als Plakat herhalten sollen.
Wer beim Stichwort "autonome" dem Sprachgebrauch der Springerpresse
folgt und an "Chaoten" denkt, wird seine Vorurteile im Plakat-Buch
"hoch die kampf dem" in zahlreichen Abbildungen von zerstörten
Schaufensterscheiben, brennenden Polizeiwagen und vermummten Demonstrationen
bestätigt finden, und sollte vielleicht besser die Finger von dem
Buch lassen. Wer dagegen neugierig auf die etwas andere und stark Inhalt-orientierte
Gestaltung der autonomen Szene geworden ist, bereit ist, sich von dem
Buch in eine andere Welt mitnehmen zu lassen und sich an dem teilweise
ungewöhnlichen Sprachgebrauch nicht stört, findet mit dem Buch
"hoch die kampf dem" ein guten Zugang zur Plakat-Geschichte
der autonomen Szene mit zahlreichen wirklich sehenswerten Arbeiten. Und
für die etwas ältere, die selbst mal im weitesten Sinne zu diesem
politischen Spektrum gehört haben, ist es ein gut recherchierter
und auch gestalterisch sehr interessanter Ausflug in die Vergangenheit.
All jenen sei das Buch wärmstens empfohlen.
Zwei typische autonome Plakate in rot und schwarz. Links ein vermummter
Demonstrationszug und der fünfzackige Stern, oben die Fahne einer
lateinamerikanischen Befreiungsbewegung und bewaffnete Figuren. (S. 90
/ 206 und S. 111/ 247)
Rechts: Dieses Bremer Antifa-Plakat kommt ganz ohne die in diesem Bereich
sonst übliche Symbolik mit Fäusten, Fahnen und vermummten Straßenkämpferinnen
aus. Die gewünschte Aussage, entschlossen gegen Nazis vorzugehen,
kommt trotzdem rüber. (S. 68 / 147und S. 147 / 348)
Links unten: Zwei Plakate, die zur Solidarität mit von Strafverfolgung
betroffenen aufrufen. Das linke Plakat aus Hamburg thematisiert den Straftatbestand
des Landfriedensbruchs einmal anders und ruft zur Prozessteilnahme auf.
Im unteren Plakat aus Berlin bittet ein "Ermittlungsausschuss""
(EA, eine Gruppe, die sich vor und nach Demonstrationen um verhaftete
kümmert) um Spenden. (S. 216 / 547)
(Nächste Seite) Oben: Diese Serie aus vier A1-Plakaten bedient sich
einer Werbeästhetik, wie sie zum Beispiel auch aus der Bekleidungsindustrie
bekannt ist. Freundliche Personen lächeln den Betrachter an. das
in den Medien oft vermittelte Bild des "bösen und kriminellen
Flüchtlings wird durchbrochen. (S. 211 / 532-535)
Oben links: beide Plakate greifen kommerzielle Werbung auf. Das linke
Plakat "wirbt für ein autonomes Zentrum in Hannover, das sich
auf dem Gelände der alten Sprengel-Fabrik befindet. Das Plakat oben
greift eine Plakatserie zur Hauptstadtwerbung auf. Allerdings steht hier
neben der Polizei-Einsatzgruppe der Satz: "Wir dreschen keine Phrasen!"
(S. 28 / 76 und S. 29 / 77)
Unten rechts: Zwei Plakate aus der autonomen Frauenbewegung. Der Gegenangriff
von Frauen auf Vergewaltiger lässt sich wohl kaum drastischer umsetzen.
Die zerspringenden Scheiben im rechten Plakat tragen begriffe, die Männergewalt
ausdrücken. (S. 59 / 129 und ?
Wer
sammelt, zeigt seine Sammlung auch gerne rum. Da nicht alle 3.000 gesammelten
Plakate im Buch einen Platz fanden, ist eine CD beigefügt. Über
einen in Netscape realisierten Browser lassen sich Plakate nach Inhalt
oder Ort aufrufen. Die Anzahl der Suchbegriffe ist knapp, der Suchalgorythmus
langsam und die Texte in den kleinen, dank brutaler JPEG-Komprimierung
mit Artefakten übersäten Abbildungen kaum zu lesen. Die CD bliebt
damit qualitativ weit hinter dem hervorragenden Buch zurück.
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Christof
Meueler
Flutschige Parolen
junge Welt / Feuilleton 22.03.2000
Zwei
sind mehr als einer: ein Bilderbuch zur Geschichte der Autonomen
"Das Unglück muss zurückgeschlagen werden", lautet
der schönste Liedtitel auf der letzten Tocotronic. Die Autonomen
haben das schon immer gesagt. Da weiß man, was man hat: ein gutes
Gefühl und flutschige Parolen. Was soll daran schlecht sein? Alles,
jetzt, und noch viel mehr, das darf man ja wohl noch fordern. Zeigen,
dass man dagegen ist, weil dafür so blöde macht. Lenin, Adorno
und die Autonomen - zusammen kämpfen! - damit man in Bewegung bleibt
und sich nicht alles gefallen lässt. Die Grundidee aller autonomen
Plakate lautet: Zwei sind mehr als einer. Wie im Kinokrimi rufen sie dir
zu: Wach bleiben, nicht die Augen schließen, sonst bist du tot.
Eine Art "Merkzettel an den Wänden der Stadt", angebracht
von Leuten, die "zu den Massenmedien keinen Zutritt haben oder keinen
Wert auf deren Nutzung legen", wie die Herausgebergruppe HKS 13 im
Vorwort zu "hoch die kampf dem", einem beeindruckenden Bilderbuch
autonomer Plakate der letzten 20 Jahre, schreibt. Auf 239 Seiten und beigelegter
CD-Rom werden fast dreitausend Plakate, versehen mit Entstehungsort und
Jahreszahl, präsentiert. Ein Museum der Flüchtigkeit: Ist eine
Demo oder eine Veranstaltung vorbei, sind ihre Ankündigungen - die
meisten autonomen Plakate sind nichts anderes - schnell vergessen und
überklebt. Bleiben die Parolen: "Von sozialen Bewegungen zur
sozialen Revolution", "Frauen bildet Banden", "Alle
Gewalt geht von der SPD aus", "Die Stadt gehört allen",
"Nicaragua - die Revolution ist vor allem eine Frage der Liebe",
"Reißt die Mauern ein, auch die eigenen, holt die Menschen
raus", "Kill a Multi", "Den nationalen Konsens sprengen",
"die schönste jugend ist gefangen - freiheit für irmgard
möller", "wir wollen kein grösseres stück torte,
sondern das rezept ändern!"
So war das also. Endlosschleife: Kampf, weg, Ausrufezeichen. Der etwas
platte Titel dieses Buchs trifft. Auch das Wiedersehen mit alter Scheiße
im Kopf: "Boykottiert >Israel<, Kibbuzim und Strände",
dazu brennen NATO und Davidstern auf dem Plakat. Sonderlich kritisch kommentiert
wird das nicht, wie überhaupt die hier versammelten Begleittexte
überwiegend theoretisch einfallslos und schlecht geschrieben sind.
Erklärt wird meist nur das, was man sowieso sieht. Zu sehen aber
ist allerhand: das Imaginieren nicht vorhandener Massenhaftigkeit, Militanz
und Entschlossenheit, die Reproduktion der herrschenden Geschlechterordnung
im bewaffneten Männerbund inklusive deren einfache feministische
Umkehrung. Die Entwicklung von der Siebdruck- zur Computergraphik, man
könnte auch sagen: vom Punkplattencover zum Ravepartyflyer, die Tendenz
zur Überfrachtung der Plakate mit dem berühmten Zuviel-auf-einmal
in Bild und Schrift, vor allem das Zutexten vieler Designideen. Das Klischee
des wilden netten Kindes als Zwillenschütze oder Pipi Langstrumpf,
Fäuste, Sterne, Gitter statt Abwechslung - ein gegen Nazis fliegender
Blumentopf mit der Headline "Power Flower" ist da schon die
Ausnahme. Genauso wie der Beitrag der Plakatgruppe des Hamburger Veranstaltungszentrums
"Rote Flora" - im Buch neben der informativen Einleitung der
beste Text. In offenherzig einfachen Worten wird dort geschildert, daß
es verdammt langweilig ist, immer nur Klischees zu vertrauen. Kann man
auch als kurze Einführung in die neunziger Jahre lesen: eine Geschichte
darüber, wie Pop die Radikale Linke erreichte und diese dann auf
einmal nicht mehr wusste, was sie eigentlich wollte. "Wir kommen,
um uns zu beschweren" könnte man mit Tocotronic begegnen.
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Anne
Rezension HKS 13 (Hrsg.):hoch die kampf dem.20 Jahre Plakate autonomer
Bewegungen
VLA: 1999 / Klaus Schönberger (Hrsg.): Va banque. Bankraub, Theorie,
Praxis, Geschichte. VLA: 2000, 325 S.
in Conne Island - CEE IEH / Newsflyer (Leipzig) Nr. 73 / 2000
Wir
schreiben nun das Jahr 2001 und eigentlich sollte die Menschheit dem traditionellen
Buch schon längst den Rücken gekehrt haben. Vertreibt sich nicht
heute der moderne Mensch seine Zeit mit dem Internet und CD-ROMs, die
nach Eingabe eines Suchbegriffs und anschließendem Knopfdruck die
wichtigsten Informationen ausspucken? Wer macht sich heute noch die Mühe
und kämpft sich durch unzählige Seiten umweltfreundlichen Papiers,
um sich zu bilden oder zu vergnügen? Eigentlich fallen mir da nur
die Kollegen der Review Corner ein, die sich Monat für Monat abrackern,
die wichtigsten, witzigsten und wasserdichtesten Bücher für
Euch zulesen, damit Ihr weiter The age of empire zocken und trotzdem mitreden
könnt, wenn´s um Bücher geht. Dass Lesen aber genauso
spannend sein kann wie Computerspiele, beweisen zwei Titel, die unsere
interne Jury zu den besten Büchern des Jahres 2000 kürte. Die
Bewertungskriterien waren diesmal nicht so umfassend wie im letzten Heft
So wurden die Titel diesmal nicht auf Wasserfestigkeit und dem Verhältnis
von der Masse zum Preis geprüft, sondern es ging lediglich nach Inhalt,
Layout, Preis und Kompatibilität für den Computer. Wie sich
vielleicht einige von Euch erinnern, gab es im letzten Jahr eine beträchtliche
Anzahl guter Bücher, die wir ja auch versuchten, Euch schmackhaft
zu machen. Leider hatten die meisten, sei ihr Inhalt noch so entzückend
gewesen, einen Makel: sie sahen einfach Scheiße aus. Ganz anders
unsere Gewinner: informativ, aufregendes Layout, verspielte Illustrationen
und vor allem mit virtuellen Anwendungsmöglichkeiten! Jetztwollen
wir Euch aber nicht länger auf die Folter spannen: die Bücher
des Jahres 2000 sind "Hoch die Kampf dem: 20 Jahre Plakate autonomer
Bewegungen" (leider für alle, die es sich noch ins Regal stellen
wollen, im Moment nicht mehr zu haben) und Va banque: Bankraub. Theorie.
Praxis. Geschichte (im Handel noch erhältlich, wäre ein schönes
Weihnachtsgeschenk für EureN besteN FreundIn gewesen, leider jetzt
zu spät!). Aber immer schön der Reihe nach. Kommen wir also
erst mal zum erstgenannten, weil es schon länger auf dem Markt ist
und wir von der Review Corner es abgöttisch lieben. Das liegt natürlich
nicht an dem Hochglanzpapier, sondern an der beigefügten CD-ROM,
die das perfekte Heimkino für alle Fans und Freaks autonomer Politik,
Kultur und Kunst bietet. 3000 Plakate von den Autonomen der letzten 30
Jahre auf einer kleinen Scheibe; da lästere noch mal jemand über
das Zeitalter der modernen Technik! Aber eigentlich ist die CD-ROM ja
erst am Ende des Buches beigelegt, sozusagen als Entschuldigung dafür,
dass das Buch nur 240 Seiten hat. Also, warum nun ist das Buch so schön?
Erst mal muss Mensch wenig lesen, denn zwei Drittel einer Seite sind zum
größten Teil farbige Abbildungen politischer Plakate. Dabei
haben sich die Macherinnen für eine thematische Ordnung entschieden.
Das hat zum einen den Vorteil, dass sich jedeR zuerst die Plakate ansehen
kann, die ihren/seinen Neigungen am meisten entsprechen (also gehöre
ich eher zu den Anti-Imps, den Antimilitaristen, den Anti-AKWs oder den
Antifas, dann schaue ich mir natürlich die Plakate zuerst an, die
meiner Gruppenzugehörigkeit entsprechen, um dann über die anderen
zu lästern), auf der anderen Seite kann sich eine Person, die noch
keiner festen Gruppe angehört anhand der Plakate entscheiden, welche
politischen Aktivitäten sie in Zukunft bevorzugt. Wer sich aber weniger
für die politische Arbeit interessiert, sondern mehr für die
künstlerische, kann sehr schön die technische Entwicklung des
Layouts der letzten 30 Jahre nachvollziehen. Das Buch deckt so also vielseitige
Interessen ab und informiert uns darüber hinaus noch über die
Geschichte der autonomen Linken, ohne uns pseudo-intellektuell zu kommen.
Wir finden, dass das Buch auf jeden Fall seine 39,80 DM wert ist (auch
weil´s ja noch die CD-ROM dazu gibt). Also, falls es eine Nachauflage
gibt, unbedingt anschaffen!
Das zweite Highlight im vergangenen Jahr steht dem ersten in keinster
Weise nach. Auch Va banque, herausgegeben von Klaus Schönberger erschien
beim VLA/Verlag der Buchläden Schwarze Risse-Rote Straße und
ist 5,80 DM billiger und noch käuflich zu erwerben. Nicht nur die
autonome Öffentlichkeit interessierte sich für die Geldräuber,
sondern sogar die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte eine Rezension
zu diesem Werk (siehe SZ vom 20.4.2000), was aber für unsere Auswahl
natürlich keine Rolle spielte. Das Buch unternimmt abwechlungsreiche
Ausflüge in die Welt des Bankraubs und lässt uns das erleben,
wovon wir immer geträumt haben; einmal Robin Hood zu sein. Auch wenn
die AutorInnen im Vorwort betonen, kein Handbuch für Banküberfälle
haben schreiben zu wollen, kribbelt es doch manchmal in den Fingern und
mensch wünschte sich, doch nur einmal dabei sein zu dürfen.
Eingebettet in theoretische, psychologische und historische Abrisse der
Bankräuberei werden ihre Akteure biographisch, in den meisten Fällen
mit Abbildungen, vorgestellt. Und alle Genossen sie die Sympathie ihrer
Zeitgenossen und auch derjenigen, die erst heute etwas über sie erfahren.
Vielleicht liegt es daran, dass Bankräuber für eine Art sozialer
Rebellion stehen, die die gesellschaftliche Norm angreift und zusätzlich
die Erfüllung von Träumen möglich macht. Die Sehnsucht
nach einem Ausbruch aus den gesellschaftlichen Konventionen ist eine kollektive
Phantasie, und so träumt fast jedeR von einem neuen Anfang und dem
großen Coup. Übrigens glaube ich, daß jeder Akt gegen
die Gesellschaft ein politischer ist. Allen voran das Stehlen. Ich rede
nicht vom gemeinen Diebstahl, der, legal oder nicht, darin besteht, arme
Leute zu überfallen, sondern vom STEHLEN, einst erbliche Tugend und
traditionelle Kunst ... und überragende Hoffnung des Menschen, sein
Ziel mit seinen eigenen Mitteln zu erreichen. Die anderen Möglichkeiten
heißen: Pferderennen und Lotto." (Albert Spaggiari, 1976) Solche
und ähnliche Bekenntnisse von Bankräubern aller Couleur zitieren
die insgesamt 39 Autoren des Buches besonders gern, denn im Sinne von
Bertolt Brechts "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung
einer Bank?" können sie ihre Sympathien für einen clever
ausgeklügelten Bruch kaum verbergen. Natürlich wird auch nicht
verschwiegen, daß es im Verlaufe der Jahrhunderte, also mit der
fortschreitenden Technisierung der Gesellschaft immer schwieriger wurde,
einen erfolgreichen überfall zu inszenieren. So büßte
der motorisierte Bankräuber beispielsweise im Zuge der Automobilisierung
der Gesellschaft seinen Vorsprung bei der Flucht bald ein. Die heutige
Kontrollgesellschaft läßt für stilvolle, kreative räuberische
Aktivitäten kaum noch Spielraum. Heute muß mensch angesichts
Online-Banking und Kreditkarten nur noch geschickt am PC manövrieren,
um zu Reichtum zu kommen. Vorbei also die Zeiten der Knarren und Schneidbrenner.
Wem das Buch noch nicht genügt, kann sich mit Hilfe der im Text angegebenen
zahlreichen Internetadressen weitere Informationen verschaffen. Es ist
wirklich nicht nur ein inhaltlich interessantes Buch geworden, sondern
es ist darüber hinaus spannend geschrieben und fabelhaft gestaltet.
Das Autorenkollektiv bietet zusätzlich eine multimediale Veranstaltung
durch die Welt des Bankraubs an. Leider sind momentan keine Termine mehr
zu bekommen. Wäre ja auch für Euch mal eine willkommene Abwechslung
gewesen, den drögen Buchrezensionen zu entfliehen. Aber macht euch
keine falschen Hoffnungen. Wir werden Euch natürlich auch in diesem
Jahr weiterhin in jedem Heft mit den Büchern nerven, die die Welt
(nicht) braucht ...
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Ohne
Namen
Silberfisch Stadtmagazin
Magdeburg Juni 2000
Der
Untertitel "20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen" sagt schon
aus, daß dieses Buch
in vielerlei Hinsicht schon längst überfällig war. Nun
hat sich ein Herausgeberkollektiv gefunden und ein Sammelsurium autonomer
politischer Plakate zusammengetragen. Es bleibt zu hoffen, daß sich
diese Mühe auszahlt und das Buch auch entsprechend oft verkauft wird.
Beim ersten Durchblättern tauchen in erster Linie Erinnerungen auf.
Schnappschüsse aus vergangenen Tagen, voller Sympathie, an Zeiten,
in denen die Resignation noch nicht so gewaltig war. Dann zeigt das Buch
eine wahre Flut an Plakaten zu allen politischen Themen: Demonstrationen,
Häuserkampf und Hausbesetzungen, Sexismus, Boykottaufrufe - um nur
einiges zu nennen. Jeder halbwegs politisch Interessierte wird eine Vielzahl
davon wiederentdecken. Aber das Buch soll nicht Spiegel in die Vergangenheit
sein, nein es soll vielmehr vorwärtstreiben.
Eine beiliegende CD-Rom dient letztendlich als Hilfe beim Gestalten eigener
Motive. Denn, wer mit offenen Augen durch die Städte blickt, findet
schon seit Jahren nichts sonderlich Nennenswertes mehr. Die Plakatkunst
schläft. Das Buch will anregen. Die eigene Kreativität fördern.
Durch das Gezeigte soll Neues entstehen. Denn die meisten Plakate sind
in jeglicher Hinsicht ästhetisch wertvoll - sie stecken voller Radikalität,
sind farblich und grafisch gut umgesetzt und werden als Zeitdokumente
überleben. Von diesen Büchern wünsche ich uns viele.
H
.
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cg
Agit - P(r)op / Wie ist es in diesen unpolitischen Zeiten ums politische
Plakat bestellt?
PAGE hat sich in der Szene umgesehen
PAGE Nr. 10 / Oktober 2000, S. 52-55
Zur
puren Dienstleistung ist die Gestaltung von Werbung für die klassischen
Parteien geworden. Die professionellen Designer, die in den großen
Werbeagenturen die Propagandamittel fürs politische Establishment
entwerfen, würden vermutlich mit etwa der gleichen Leichtigkeit den
ideologischen Auftraggeber wechseln, wie sie den Mercedes- gegen den BMW-Etat
tauschen oder statt für Ariel für Persil werben.
Hand in Hand gehen persönliche Überzeugung und gestalterische
Umsetzung noch bei den autonomen Aktivisten - hier finden sich wohl die
eigentlichen Nachfolger der über zweihundertjährigen Tradition
engagierter Grafik. Oft sind es Laien, die mit minimalen Budget zu Werke
gehen. "Mindestens 80 Prozent der Plakate sind nur DIN A2 groß
und zweifarbig", berichtet der in Berlin lebende Gestalter Sandy
Kaltenborn, der vor drei Jahren gemeinsam mit Gleichgesinnten das Grafikkollektiv
Zusammen gestalten gründete und heute im sozialen und politischen
Bereich gestalterisch tätig ist Doch nicht nur wegen der geringeren
finanziellen Mittel seien die oft im Kollektiv entstandenen Propagandablätter
nicht mit professionellen Designererzeugnissen zu vergleichen.
"Die politischen Plakate von Profis sind meist an kein Ereignis gebunden.
Sie setzen starke Bilder ein, die weit verständlich sind, aber auch
niemand weh tun, da sie von konkreten Aktionen losgekoppelt sind",
so Kaltenborn. "Die Profi-Plakate findest du nicht auf der Straße,
sie deinen eher als Feigenblätter in der Grafikdesign-Welt, und jeder
kann dazu nicken, denn jeder findet Hunger und Krieg schlimm. Wenn du
für eine Aktion ein Plakat machst, ist der Spielraum stärker
eingeengt. Häufig ist relativ viel Text nötig, beziehungsweise
es kommt darauf an, wie viel Autorität innerhalb der Gruppe die Leute
haben, die die Gestaltung übernehmen, ob der Text überwiegt
oder starke Bilder zum Einsatz kommen." Überhaupt müsse
man erst einmal fragen, was denn ein gutes politisches Plakat eigentlich
ausmache. "Maßstäbe wie schön oder nicht sollte man
nur bedingt als Kriterium für politische Plakate anwenden. Wichtiger
ist, inwieweit die Bilder an die politischen Auseinandersetzungen anknüpfen,
ob sie etwas zuspitzen oder einfach unbequem sind."
Kritik an einer allzu konventionellen Agitationspropaganda bringen allerdings
auch Insider vor. " Mit dem Thema Bildwirkung haben sich im autonomen
Umfeld wenige so richtig auseinandergesetzt" erklärt Ulrike
Sommer von dem Hamburger Team Linke Hände, dessen Mitglieder zum
größten teil visuelle Kommunikation studiert haben. "s
wurde zu wenig hinterfragt, zu wenig nach einer wirklich neuen Bildsprache
gesucht." Die Bürogemeinschaft Linke Hände, die heute angefangen
vom Katalog bis hin zum Festivalplakat alles macht, hat bereits lange
Erfahrung in politischer Arbeit. Fünf ihrer sechs Mitglieder gehörten
ursprünglich der Gruppe Druck & Propaganda an, die in der berühmten
Roten Flora - einem 1989 im Hamburger Schanzenviertel besetzten, früheren
Varieté-Theater - eine Siebdruckwerkstatt einrichteten. Zu dem
Zeitpunkt, als die Gruppe ihre Aktivitäten an der Roten Flora aufnahm,
kannte sich nur ein einziger von ihnen mit der Siebdrucktechnik aus. Nach
und nach eigneten sich dann alle das erforderliche Know-how an und vermittelten
es auch den anderen Aktivistinnen, die jederzeit in die Werkstatt kommen
konnten, um dort Plakate zu drucken.
Alles erledigten die Gestalter kollektiv und eigenhändig: vom Entwurf
über die Herstellung bis hin zum kleben. Gerade auch bei letzterem
galt es, Kreativität zu beweisen. "Die Dichte von Plakaten ist
irre in Szenestadtteillen wie Schanze, Altona oder Karoviertel. Einmal
haben wir unsere Sachen auf Fußbodenhöhe ausgehängt, das
andere mal sind wir mit einer Leiter losgezogen." Computer und Scanner
ließen die Plakatproduktion in den neunziger Jahren zwar einfacher
und billiger werden, brachten aber gleichzeitig eine größere
Arbeitsteilung mit sich. "davor hatte das Plakatemachen den Charakter
von Gemeinschaftsarbeit, denn ale standen rund um den Tisch und haben
rumgeschnipselt, um in Collagetechnik die Vorlagen herzustellen. Heute
sitzt du meist allein vor dem Bildschirm. Zwar besprichst du im Vorfeld
mit den anderen, was du machst, aber die Trennung zwischen Diskussions-,
Gestaltungs- und Druckprozess ist viel klarer."
Auch auf der visuellen Ebene hat sich in den letzten Jahren so manches
geändert. "Die Bildsprache ist offener geworden" meint
Ulrike Sommer. "Man glaubt jetzt nicht mehr, dass man jedes Plakat
mit einem typischen Symbol wie etwa dem Frauenzeichen oder dem roten Stern
sofort erkennbar machen muss". Auch der allzu häufige Gebrauch
von lange Jahre sehr beliebten Bildern wie etwa denen der mit Zwillen
schießenden Kindern würde langsam eingedämmt. "Das
Gestaltungsspektrum hat sich erweitert", stimmt Sandy Kaltenborn
zu. "Während sich bis vor rund zehn Jahren die Szene im Grunde
selbst genug war, gab`s seither zunehmend Anleihen aus der Hip-Hop- und
der Techno-Kultur. Inzwischen lassen sich am populären Mainstream
orientierte Arbeiten ebenso finden wie Collagen im Punk-Look der 80er
Jahre. Analog zu den Massenmedien hat sich in der Gegenkultur das ästhetische
Spektrum ebenfalls ausdifferenziert."
Holzschnittartige Kämpfersymbolik im Stil der zwanziger Jahre und
das "Macker-Pathos" der geballten Fäuste sieht man in der
antifaschistischen Szene immer weniger. "Anleihen bei Mangacomics
und Filmen wie Akira und Robin aus Batmann erregen durch die - verfremdete
- Verwendung Aufmerksamkeit und brechen das Fighter-Bild ironisch",
schreibt Klaus Viehmann, einer der Herausgeber des Buches "hoch die
kampf dem", das sich mit der Entwicklung der Plakate von autonomen
Bewegungen in den letzten zwanzig Jahren beschäftigt. "Auch
die geballte Kraft des Marsupilami ist erstrebenswert - aber niemand würde
es als Symbol der kraftstrotzenden Männlichkeit verstehen können.
Antifaschistische Militanz lässt sich so ganz ohne sehnenzerrend,
muskelschwellende Fäuste propagieren."
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Gottfried
Oy
Drucken, Klauen, Kleben /Von 68 über die Startbahn und den Paragrafen
218 bis hin zu Genua:
Eine Kulturgeschichte politischer Plakate
Frankfurter Rundschau 04.02.2002
Plakate
als Medium von Kommunikation, Selbstdarstellung, Information und Mobilisierung
sind im Zeitalter audiovisueller Massenmedien hoffnungslos veraltet. Trotzdem
oder vielleicht gerade deshalb konnten sie für allerlei "unkontrollierte
Bewegungen" von "68" bis zur (Anti-)Globalisierungsbewegung
zum zentralen Ort der künstlerischen, bildhaften Auseinandersetzung
mit den Verhältnissen werden. Sebastian Haunss, Markus Mohr und Klaus
Viehmann haben sich die Mühe gemacht, über 8000 Plakate der
radikalen Linken der letzten 30 Jahre zu sichten, digital zu archivieren
und sie im Buch vorwärts bis zum nieder mit samt CD-ROM zugänglich
zu machen. Nicht nur das: Die 25 Beiträge des Sammelbandes setzen
sich zudem mit verschiedenen Aspekten der politischen Plakatkunst auseinander
und vermitteln einen Eindruck von der Bedeutung der Bildsprache für
den Erfolg und die Anziehungskraft von "68", K-Gruppen, Spontis,
Autonomen und anderen Bewegungen.
Der öffentliche Raum ist gespickt mit politischen Botschaften: Werbeplakate
als "kapitalistischer Realismus" der Alltagskultur, wie das
Plakatbuch feststellt, okkupieren großräumig Bauzäune,
Bushaltestellen und Baugerüste. Sie sind die "hegemoniale visuelle
Kultur im Alltag der großen Städte", die "kulturellen
Orientierungssysteme der Marktwirtschaft". Wer also über Plakatkunst
und kritische Bildersprache reden will, darf von Werbung für Konsum
und Parteien nicht schweigen. Neben dieser Vierfarb-Hochglanzwelt haben
die oft kleinformatigen, schwarz-weißen oder zweifarbigen Polit-Plakate
einen schweren Stand. Über die Jahre gab es jedoch immer wieder herausragende
Beispiele, wie sich eine politisch verstandene Bildersprache etablieren
konnte. Sei es in scharfer Abgrenzung von der Konsumwelt oder in bewusster
Übernahme und Verfremdung deren Symbolsprache. Berühmtheit erlangte
hier etwa die "Alle reden vom Wetter - wir nicht" Deutsche Bundesbahn-Plakatadaption
des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes; dessen Vorstand nebenbei
bemerkt nicht den Humor hatte, das Plakat gutzuheißen.
Der Band lässt sich in fünf Abteilungen aufteilen. Da sind zunächst
die zeitgeschichtlichen Betrachtungen: "68" und Außerparlamentarische
Opposition, Bewaffneter Kampf, K-Gruppen, Hausbesetzer, Anti-Apartheidsbewegung,
Chile-Solidarität und die ersten Wahlkampfplakate der Grünen.
Es folgt ein Abschnitt, der sich mit Plakaten heutiger Bewegungen auseinander
setzt: (Anti-)Globalisierungsbewegung, Lesben, Schwule, Anti-Gentechnik-Gruppen,
Popkultur, "Provinz-Plakatkunst" und ein Blick über den
deutschen Tellerrand. Anhand zentraler Begriffe werden linke Evergreens
aufgerollt: Gewalt, Militanz und Solidarität. Eine theoretische Auseinandersetzung
mit der Sprache der Bilder bieten schließlich die Beiträge
über antisemitische Elemente in der visuellen Darstellung der Kritik
am Kapitalismus oder über die Auseinandersetzung mit der Macht der
Symbole und den Möglichkeiten, sie für sich zu nutzen.
Handfest praktisch wird es schließlich da, wo Drucker und Grafiker
zu Wort kommen: AGIT Druck, eine der wichtigen politischen Druckereien
im Berlin der 70er- und 80er Jahre sowie die Bremer Grafikergruppe "blutdruck"
berichten über ihre Arbeit. Und nicht zuletzt handelt es sich bei
der beigelegten CD-ROM mit 8300 digitalisierten Plakaten um das größte
elektronische Plakatarchiv im deutschsprachigen Raum.
Die Herausgeber, die sich nach einer Druckfarbe "hks 13" nennen,
verstehen sich freilich nicht ausschließlich als Archivare sozialer
Bewegungen. Ähnlich wie in einem ersten Plakatbuch von 1999, in dem
maßgeblich Plakate der Autonomen Bewegung der 80er und 90er Jahre
dokumentiert waren, geht es auch in diesem Band, der 30 Jahre Plakatkunst
umfasst, um das "gute Plakat". Nicht immer und ewig in der gleichen
Bildersprache verhaftet zu bleiben, sich neue Ausdruckformen auszudenken,
aber auch von den alten Plakaten zu lernen, ist erklärtes Ziel. So
kritisiert Dario Azzelini zu Recht die oft einfallslosen Plakate der (Anti-)Globalisierungsbewegung.
Insbesondere nach den tödlichen Schüssen beim G8-Gipfel in Genua
beschränkten sich viele Plakate darauf, Polizeigewalt zu zeigen:
"Das Gefühl vieler, eine seit Jahrzehnten in Europa nicht mehr
erlebte Massenmobilisierung erlebt zu haben, spiegelte sich in den Plakaten
nicht wider."
Stattdessen wird das Demonstrieren zur gefährlichen Sache erklärt,
die bloße Empörung steht im Mittelpunkt. Die Straßenschlacht
als existenzialistischer Ausdruck eines diffusen "Dagegen-Seins"
aus der Mottenkiste von Punk und Autonomen feiert fröhliche Urständ.
Avancierter dagegen die Analysen der "autonomen a.f.r.i.k.a.-gruppe":
"Imageverschmutzung" , eine Praxis der "Kommunikationsguerilla",
bringt die Symbole der Macht zum Implodieren. Die politische Ökonomie
der Bilder und Symbole hat sich in den letzten Jahren massiv verschoben,
Kommunikation selbst wird zu einem Produkt, die Produkte bestehen aus
Symbolen oder Bildern oder ihr Tauschwert ist maßgeblich durch den
Symbolgehalt bestimmt. Das Beschädigen von Images hat somit massive
ökonomische Folgen und wird, früher noch als symbolische Politik
belächelt, zu einer zentralen politischen Strategie.
Durch gezieltes Einsetzen der Techniken einer subversiven Kommunikation
wie Fälschungen und Fakes kann der Ruf von privaten oder öffentlichen
Einrichtungen immens geschädigt werden. So benutzte die Anti-Startbahnbewegung
im Rhein-Main-Gebiet vor mehr als zehn Jahren den mit blutigem Polizeiknüppel
und Helm verfremdeten Hessen-Löwen, die Berliner "NOlympics"-Kampagne
Ende der 90er versah das Maskottchen der offiziellen Olympia-Bewerbung
mit einem "Einschussloch" und "Kein Mensch ist illegal"
ging im letzten Jahr mit textlich veränderten, aber stilsicher kopierten
Lufthansa-Plakaten gegen Abschiebungen vor. Imagebeschädigung - was
heute von Naomi Klein als "No Logo"-Politik adaptiert wird,
kann auf eine mehr als dreißigjährige, lebendige Geschichte
zurückblicken, wie das Plakatbuch eindruckvoll verdeutlicht. vorwärts
bis zum nieder mit ist somit nicht nur "Familienalbum" der "dabei
Gewesenen", sondern auch Handbuch für moderne, politische Grafik.
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Ohne
Namen
Mein schönstes Weihnachtsgeschenk Plakatbuch "vorwärts
bis zum nieder mit"
Die Neuauflage des Plakatbuches ist nicht nur ein quantitativer Fortschritt
in Conne Island - CEE IEHNewsflyer (Leipzig) Nr. 85 /2002 review-corner
Vor
über zwei Jahren erschien hoch die kamp fdem ein Buch, welches anhand
der Plakate der autonomen Bewegung die Geschichte eben jener nacherzählte.
Das Buch wurde damals von der review-corner-Redaktion zum "Buch des
Jahres 2000" gekürt. Die neue Ausgabe des Plakatbuches ist nicht
nur 40 Seiten dicker und die beiliegende CD-ROM mit dreimal so vielen
Plakaten vollgepacktes geht auch zeitlich weiter zurück (bis in die
60er Jahre) und ist thematisch breiter angelegt. Während im ersten
Buch die autonomen Teilbereichsbewegungen (Antifa, Anti-AKW, Antira, Antimilitarismus,
Frauenbewegung) im Mittelpunkt standen, widmet sich das neue Buch neben
der autonomen Plakatkunst auch der der Grünen, der K-Gruppen, der
68er und anderer system(un)kritischer Subkulturen. Außerdem, und
das ist wohl der größte Verdienst des neuen Projektes, wird
das Verhältnis der verschiedenen Plakate und deren MacherInnen zu
bestimmten Fragestellungen untersucht: Militanzdebatte, Antisemitismus
in der Linken, symbolische Politik, Solidarität, Ästhetik. Das
Buch und die beiliegende CD-Rom (die 8.300 Plakate sind alle verschlagwortet
und können nach verschiedenen Kriterien durchsucht werden) eignen
sich aber nicht nur zum versonnenen Schwelgen in bildhaften Erinnerungen,
wie gut doch früher alles war und wie schlecht noch früher,
sondern die Beiträge sind jeweils knappe und trotzdem gute historische
Abrisse zu den einzelnen Bewegungen und Epochen der linken Bewegungen.
Ein Sammelband mit ca. 25 verschiedenen AutorInnen bringt es natürlich
mit sich, daß die Texte nicht alle aus einem Guß und von unterschiedlicher
Qualität sind. Es mischen sich oft subjektive Wertungen in die Geschichtsschreibung,
was nicht weiter verwundert, da die meisten als InsiderInnen schreiben,
also immer auch über ihre eigene Geschichte. Ergebnis dessen sind
dann solche Sätze: Die Qualität und die Art der Gestaltung (der
Plakate zu den Anti-Globalisierungsprotesten) entsprach meist der Aktualität
und Frische der politischen Position der jeweils mobilisierenden Gruppe.
Was ja noch stimmen mag. Wenn aber zum Beweis vom Autor (Dario Azzellini)
nicht nur die Linksruck-Plakate für schlechtes Layout herangezogen
werden, sondern als positives Beispiel die seiner Lieblingsgruppe (FelS)
herhalten müssen, wird es peinlich. Der Autor sieht sich jedoch nicht
nur von Linksruck bedroht, sondern auch von Gruppen, die er als Rechtsruck
innerhalb der Linken deutet: die Antideutschen. Anstatt sich auf das bisher
junge und zarte Pflänzchen (der Antiglobalisierungsbewegung) zu stürzen
und es in der Luft zu zerreißen, sollten die Anstrengungen der vernichtenden
KritikerInnen sich lieber darauf orientieren, "auch... innerhalb
der wachsenden Bewegung kritisch mitzumachen". Verkürzte und
antisemitisch angehauchte Kapitalismuskritik ist allerdings kein junges
und zartes Pflänzchen, auch wenn´s poetischer klingen mag,
sondern so alt und knorrig wie eine deutsche Eiche. Dies kann Azzellini
jedoch nicht begreifen, ist er doch zu sehr in seiner Bewegung verhaftet
und entschuldigt antisemitische Plakate gegen die "Globalisierung"
damit, dass Plakate immer mit Symbolen arbeiten würden und Symbole
immer verkürzt wären, deswegen zwar nicht "die Welt erklären
jedoch Aufmerksamkeit erregen könnten". Zum Glück gibt
es im Buch einen Beitrag des jour fixe initiative Berlin-Mitglieds und
ex-Bahamas-Autorin Elfriede Müller zum Thema "Antisemitismus
auf Plakaten? Plakate gegen Antisemitismus!" der alles wieder zurechtrückt.
So hofft mensch zumindest nach der Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses.
Doch auch dieser Beitrag verwundert. Für die Bahamas überraschend
unpolemisch und differenziert setzt sich Müller mit antisemitischen
Plakaten auseinander. Sie attestiert der Linken, zu großen Teil
nicht direkt antisemitisch (gewesen) zu sein, jedoch unbewusst Anschlussstellen
für antisemitische Interpretationen in Text und Bild zu liefern.
Angenehm ist ihrer Feststellung, dass die Palästina-Solibewegung
nicht den Umfang und Rückhalt in der linken Szene hatte, wie es inzwischen
aufgrund der linken Bekenntnisliteratur ehemalige linke Antisemiten ihren
Schandtaten abschwören, sie aber gleichzeitig auf die gesamte Linke
projizieren und verallgemeinern zu scheinen mag. Warum sie allerdings
indirekt eine eigene, bessere Palästina-Solibewegung einfordert,
bleibt schleierhaft: "Allerdings soll hier keinesfalls bestritten
werden, dass eine Solidarität mit den Palästinensern gegen die
Militärdiktatur in den von Israel besetzten Gebieten und mit dem
Protest der Israelis palästinensischer Herkunft gegen ihre Diskriminierung
eine Notwendigkeit des linken Internationalismus darstellt." ähnlich
moderat verfährt sie mit einem Plakatmotiv der Autonomen Antifa (M)
gegen den Polizei- und Überwachungsstaat: Weil die abgebildete Krake
(mit einem Heiligenschein aus Konzernsymbolen von Nestle, Mercedes, Shell,
Deutsche Bank etc.), die mit ihren Tentakeln Europa umschlingt und unterdrückt,
ein klassisches antisemitisches Bildmotiv keine antisemitische Physiognomie
habe (soll wohl heißen: der Totenschädel der Krake hat keine
Hakennase), sei das Plakat nicht antisemitisch konnotiert. Anstatt dieser
Entlastungsaussagen hätte Müller genauer herausarbeiten können,
dass selbst diejenigen, die nicht Zionismus mit Faschismus gleichsetzen
(wie es in Hamburg noch 1989 geschehen ist), sondern ganz im Gegenteil
sich kritisch mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen und z.B.
Demonstrationen zum 9. November organisieren, nicht frei von Fehldeutungen
und Verunsicherungen sind: Dafür spricht die auffallende Zurückhaltung
auf den ansonsten immer so kämpferischen linken Plakaten, die pflichtschuldige
Aufzählung des Antisemitismus neben anderen Unterdrückungsverhältnissen
bzw. noch öfters die verschämte Subsumierung des Antisemitismus
unter dem Schlagwort Rassismus. Aber auch andere AutorInnen frönen
ihrer Liebe zur Bewegung, was einen verklärten Blick zu Folge hat.
Esther Lopez kritisiert am Anfang ihres Beitrages über die Plakate
der Lesbenbewegung noch die Bildmotive, die eine von Männern befreiten
Ort als heile und widerspruchsfreie Welt präsentieren. Sie erkennt
auch deutlich das Dilemma der Lesbenbewegung, erst Anhängsel der
Frauenbewegung, später der Homosexuellenbewegung zu sein und somit
nie wirklich eigene Akzente setzen zu können. Am Ende ihres Beitrages
muss sie konstatieren, dass die Lesbenbewegung heutzutage einerseits in
Mainstream-Events wie dem Christopher Street Day, anderseits in der queeren
Partyszene restlos aufgegangen ist. Diese Entpolitisierung benennt sie
allerdings nicht als solche, sondern bezeichnet diesen Prozess als einen
der Professionalisierung. Oder: Die Partyszene sei schon deswegen politisch,
weil sie politische Vereinnahmung ablehnen würde. Eine Deutung, die
schon allein durch die abgebildeten Plakate konterkariert wird. Ein Vergleich
der Lesbenplakate mit denen der Schwulenbewegung zeigt allerdings deutlich,
wer jetzt mit Politikmachen dran wäre: Während sich die Frauen-
und Lesbenbewegung von Anfang an umfassend politisch artikuliert und bei
bestimmten Themen, wie linker Antisemitismus und Rassismus, sogar eine
Vorreiterrolle gespielt hat, haben die Schwulen dort angefangen und beständig
weitergemacht, wo die Frauen- und Lesbenbewegung erst viel später
gelandet ist: bei der Konstruktion positiver Eigenidentitäten, der
narzisstischen Beschäftigung mit nichts anderem als sich selbst oder
seiner Party und Einverleibung von Fremden als exotische Garnierung für
die deutsche Hausmannskost. Suspekte Identitätspolitik betrieben
aber alle linken Bewegungen. Die Chile-Solidarität setzte erst 1973
nach dem Putsch ein, der als vom US-Imperialismus inszeniert galt. Für
das sozialistische Experiment in Chile interessierte sich vor 1973 in
der BRD niemand. Erst als es zu spät war, kamen alle möglichen
und unmöglichen linksradikalen und linksliberalen Gruppen zusammen,
um dem geschundenen chilenischen Volk beizustehen. Zum Lieblingsmotiv
avancierte die chilenische Nationalflagge, die auf wirklich jedem Plakat
der Chile-Solidarität auftaucht. Rätselhaft bleibt hingegen,
warum für Straßenmilitanz in den westlichen Metropolen immer
der unerschrockene männliche Streitfighter herhalten musste, der
Kampf der trikontinentalen Befreiungsbewegungen dagegen am liebsten mit
schönen oder verschleierten Frauen bebildert wurde. Der Lokalpatriotismus
macht sich im Buch in Form von vier Berichten aus der Provinz breit: Bremen,
Düsseldorf, Nürnberg und Hannover. So erklären uns die
Bremerinnen, wie der kapitalistischen Entfremdung zu widerstehen ist,
nämlich mittels Siebdruck ...ein ziemlich spannendes Unterfangen.
Jedes Plakat ist tatsächlich ein Einzelstück, das manuelle Verfahren
bringt regelrecht handwerklichen Spaß und die Entstehung, von der
Idee über das Drucken bis hin zur Resonanz, zu verfolgen, verbindet
Siebdruckerinnen ganz speziell mit ihrem Werk. Ein Blick über den
Tellerrand liefert der letzte Beitrag, der sich mit der Plakatkultur in
anderen Ländern beschäftigt. Neben den links-autonomen Bewegungsplakaten
haben da auch Plakate der Befreiungsbewegungen; und der befreiten Länder
(China Die Sauberkeit lieben, Kleine Gäste im Mondpalast) und Kuba
ihren Platz. Die meisten Abhandlungen im Buch geben einen guten und kurzweiligen
Einblick in die jeweilige Bewegungsgeschichte; die Texte zu Solidarität,
Militanz, Antisemitismus, linker Ästhetik, Kommunikationsguerilla
überzeugen mit ihren kritischen und analytischen Einleitungen, die
sich auf der Höhe der Zeit bewegen und die Grenzen linker Theoriebildung
ausloten. (Sobald es praktisch wird, fangen einige AutorInnen dann allerdings
an zu schwimmen: So klären uns die Layout-Profis in Ein kleiner Leitfaden
zur Gestaltung und Betrachtung von Plakaten; zum Beispiel bei jedem Thema,
das sie anreißen, darüber auf, dass mensch dazu auch ein Buch
schreiben könne, der Platz hier aber nicht ausreiche und deswegen
sie auch schon zum nächsten Thema übergehen würden, ohne
auch nur irgend etwas substantielles zu sagen.) Aufgrund der umfangreichen
Bebilderung können die Texte allerdings nur als Appetitanreger dienen,
wer mehr wissen will, sollte sich in der entsprechenden Fachliteratur
umsehen. Einige krude Textstellen wären allerdings nicht ein Fall
für eine Rezension gewesen, sondern für´s Lektorat. Mit
der Bitte um Änderung geben wir zurück: Erstens die Behauptung
in dem ansonsten interessanten Beitrag über Scherben-, Punk- und
Pop-Plakate Heiter bis wolkig zerbrachen letztendlich am Sexismusvorwurf,
den eine ihrer Szenen provozierte (so kann mensch einen Vergewaltigungsvorwurf
gegen ein Bandmitglied also auch bezeichnen); zweitens die Assoziation
der Autorin des unsäglichen (weil nicht aus einer autonomen sondern
entwicklungspolitischen-christlichen und somit völlig uncoolen Perspektive
geschriebenen) Beitrages Die Plakate der Anti-Apartheid-Bewegung von Behausungen
von südafrikanischen WanderarbeiterInnen mit KZ-Baracken. Drittens
die nach Totalitarismus klingende These: In der bewaffneten Auseinandersetzung
BRD gegen die RAF schenkten sich beide Seiten nichts. Dem Lektorat hätte
übrigens auch auffallen müssen, dass einem Plakatbuch ohne Verweis
auf die Göttinger Gruppe Kunst und Kampf, egal was mensch von ihr
halten mag, etwas fehlt oder war die Auslassung gar Absicht? Keine Ahnung,
welche von beiden Varianten armseliger ist...
Es gibt neuerdings zwei Wege zu einem guten Plakat: Entweder mensch studiert
das Buch von vorn bis hinten, macht sich das Credo Schlaglöcher statt
Schlagworte (Verunsicherung des vorherrschenden Blickes anstatt Selbstvergewisserung
der eigenen Szene) zu eigen, lernt von den Fehlern und Erfahrungen der
Vergangenheit und macht sich dann an die Arbeit. Oder aber mensch schiebt
die CD in den Computer, schmökert ein wenig, lädt sich das Lieblingsplakat
herunter und ersetzt bei Bedarf Zeit und Ort. In beiden Fällen kommt
ihr allerdings nicht an dem Buch + CD vorbei. Also: kaufen! Klara
Fußnote
z.B. Neidhardt, Irit/Bischof, Willi (Hrsg.): Wir sind die Guten. Antisemitismus
in der radikalen Linken, Unrast: 2000; autonome L.U.P.U.S.-Gruppe: Die
Hunde bellen... Von A bis RZ. Eine Zeitreise durch die 68er-Revolution
und die militanten Kämpfe der 70er bis 90er Jahre, Unrast: 2001Anmerkung
: Beide Plakatbücher können im Infoladen Leipzig ausgeliehen
werden.
Zwischenbemerkungen:
Wahrlich überraschende Zusammenhänge, die sich erst nach dem
aufmerksamen Studium beider Bücher offenbaren...Während 1961
in Neustadt die BürgerInnen gegen Schundliteratur das waren in ihren
Augen Kriminalgeschichten, die für die Zunahme von Banküberfällen
verantwortlich gemacht wurden demonstrierten, organisierten die Autonomen
Jahre später einen Kriminellenkongreß, auf dem Banküberfälle
propagiert wurden.
"Auch wenn ein Weg von Rudi Dutschke zu Gerhard Schröder führt,
ebenso wie einer von Elvis zu Bon Jovi, so war das Resultat nicht unvermeidlich.
Was sich im Nachhinein als Modernisierung der Ausbeutungsverhältnisse
darstellt, besaß in seinem Verlauf einen utopischen Überschuss,
den zumindest zu dokumentieren auch eine Aufgabe dieses Plakatbuches darstellt"
(Michael Koltan im Buch).
Für alle visuell veranlagten Menschen dürften die im Buch dokumentierten
Plakate der Grünen eine bessere Abrechnung mit dieser Partei und
deren "utopischen Überschuss" darstellen, als alle verbalen
Abhandlungen (siehe z.B. review-corner: Das waren die Grünen")
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Patrick
Hagen
Unkontrollierte Plakate
in philtrat nr. 45 - Januar/Februar 2002
Plakate
können mehr sein als bloße Zeit- und Ortsangaben für die
nächste Demonstration. Mit ein Grund dafür, dass sich in dem
neuerschienenen Buch Vorwärts bis zum nieder mit, einer Sammlung
von Plakaten "unkontrollierter Bewegungen" aus den letzten dreißig
Jahren auch ein "kleiner Leitfaden zur Gestaltung und Betrachtung
von Plakaten" findet.
Anhand der abgedruckten Plakate und der beigelegten CD-ROM mit weiteren
8300 Plakaten kann sich jedeR selbst davon überzeugen, dass einigen
Plakaten das Beachten eines solchen Leitfadens nicht geschadet hätte.
Die GrafikerInnen Rainer M. und Sandy k. kritisieren die vermeintliche
Trennung von Inhalt und Form bei der Plakatgestaltung. Dies führe
dazu, dass die meisten Plakate "in der Regel nur als ein Zusatz zur
Aktion und nicht als politisches Handeln begriffen" werden. Das Plakatbuch
ist die Fortsetzung des 1999 erschienenen Hoch die Kampf dem, in dem hauptsächlich
Plakate der autonomen Bewegung versammelt waren. Wie im Vorgängerband
werden die thematisch sortierten Bilder von begleitenden Beiträgen
verschiedener AutorInnen reflektiert. In vorwärts finden nun auch
Plakate von im ersten Band vernachlässigten Bewegungen ihren Platz,
wie die Lesben- und Schwulenbewegung und die K-Gruppen. Außerdem
ist der Zeitrahmen weiter gefasst: Das früheste dokumentierte Plakat
stammt aus den Sechzigerjahren - lange vor Entstehung der autonomen Bewegung,
die jüngsten Plakate wenden sich gegen den Krieg in Afghanistan.
Zudem findet sich in vorwärts ein Kapitel zu Antisemitismus in linken
Bewegungen. Elfriede Müller von der jour-fixe-initiative Berlin thematisiert
in ihrem Beitrag
, dass Auschwitz nicht noch einmal sei Plakate,
die aus ihrer Sicht "antisemitisch sind, oder antisemitische Assoziationen
wecken". Neben Plakaten, die Zionismus mit Faschismus gleichsetzen,
finden sich vor allem Plakate, die antisemitische Stereotype reproduzieren:
Kapitalisten mit Zigarre und Zylinder ziehen im Hintergrund die Fäden.
Ausgangspunkt dafür ist laut Müller die "spontane Assoziation
von Juden mit Kapitalismus, Kosmopolitismus und Abstraktheit". Das
Kapitalismusverständnis der traditionellen, wie auch der Neuen Linken
und der autonomen Bewegungen habe "Anschlussflächen zu antisemitischen
Denkfiguren" enthalten.
Manche der Schwerpunktthemen lassen den Eindruck entstehen, dass die Auswahl
stark von dem Ziel alle auffindbaren Plakate zu dokumentieren, dominiert
wurde. Angesichts der häufig kritisierten Geschichtslosigkeit der
autonomen Bewegung ein ehrenwertes Ziel. Wer aber nicht ein möglichst
umfassendes Plakatarchiv zu Hause haben muss, dem/der reicht einer der
beiden Bände. Die sehenswerteren Exemplare finden sich mit Sicherheit
im Vorgängerband Hoch die Kampf dem, der hiermit noch einmal wärmstens
empfohlen sei.
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Lena
Schwarzkopf
Vorwärts bis zum nieder mit
kassiber 49 (Bremen) - Mai 2002 Bücher (II)
Mit
dem neuen Plakatbuch "HKS 13: vorwärts bis zum nieder mit -
30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen" wurde im Dezember 2001
die Fortsetzung des vor 2 1/2 Jahren erschienenen Buchs "hoch die
kampf dem - 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen" herausgebracht.
Das Kürzel "HKS 13" steht dabei nicht nur für die
Herausgeber der beiden Bücher, sondern auch für das drucktechnisch
klassische Offset-Rot, das unzählige Plakate schmückt.
Legte das erste Buch noch den konzeptionellen Schwerpunkt auf Plakate
der autonomen Bewegung der 80er und 90er Jahre, reicht die neue Zusammenstellung
"plakativer Dokumente" aus der Geschichte linker emanzipatorischer
Bewegungen von 1963 bis hin zu neusten Antikriegsplakaten. Mehr als 800
Plakate werden im Buch vorgestellt, insgesamt 8.300 sind in digitalisierter
Form auf einer beiliegenden CD-Rom archiviert. Leider funktioniert die
Suchmaschine der CD unabhängig ob PC oder MAC einfach nicht. Dafür
steht das komplette Plakat-Archiv samt funktionstüchtiger Suchmaschine
mittlerweile im Internet (http://plakat.nadir.org).
Die 25 thematisch gemischten Beiträge verschiedener AutorInnen, die
in "vorwärts bis zum nieder mit" zusammengestellt sind,
arbeiten die Bedeutung des politischen Plakates als Speichermedium von
Ereignissen und Entwicklungen linker Bewegungen in Deutschland und einigen
anderen Ländern ab. Neben Beiträgen zu den nach Einschätzung
der Herausgeber im ersten Buch "vernachlässigten Teilbereichsbewegungen"
wird u.a. auf Plakate der Lesben- und Schwulenbewegung, zu Aktionen gegen
Sport-Großereignisse und zu Gentechnik eingegangen. Andere Beiträge
greifen sich Aspekte heraus, die sie an Plakaten verschiedener Bewegungen
reflektieren, so z.B. in "ein plakativer Streifzug durch Gewalt und
Militanz", die "Macht und Ohnmacht der Symbole" und im
Beitrag zu Antisemitismus in linken Plakaten.
Mit dem professionellen Layout beschäftigt sich "Das gute Plakat"
durch illustrative Anregungen zur Plakatgestaltung. Im Artikel "Vor
allem antiplakativ" stellt sich die Bremer Siebdruckgruppe blutdruck
vor, die seit Januar 2000, damals noch unter dem Namen antiplakativ, die
Siebdruckwerkstatt der Jugendinitiative Sielwallhaus e.V. neu belebte.
Darüber hinaus sind auch Plakate zu Bewegungen des 21. Jahrhunderts
(Krieg, Antiglobalisierung bzw. der damit nötig gewordenen Antirepressionsarbeit)
aufgenommen worden.
Eine zeitgeschichtliche Aufarbeitung bieten die Beiträge zu Plakaten
der außerparlamentarischen Opposition (APO), der ML-Bewegung (mit
dem treffenden Titel "Weimarer Flaschenpost", denn beim Anblick
der Plakate meint mensch mehr als 30 Jahre Plakatgeschichte vor sich zu
haben) und zu Plakat-Dokumenten im Zusammenhang mit dem bewaffneten Kampf
der RAF. Es gibt auch einen Beitrag zu Plakaten der Grünen, der aus
heutiger Sicht allerdings bei der Rezensorin wirklich nur das vom Autor
in seinen Rechtfertigungsversuchen vorhergesagte Schmunzeln auslöste.
Unter der provokanten Rubrik "Linksradikale Plakatkunst in der Provinz"
stehen die Beiträge aus Düsseldorf, Nürnberg und Hannover.
Dabei stellen sich AutorInnen des Hannoveraner Beitrags zu Unrecht unter
den Scheffel, wenn sie die fehlende Professionalisierung ihrer Plakatherstellung
bedauern. Ihre Plakate, z.B. die bekannte Sprengel-Plakat-Serie, brauchen
sich trotz Schnippel-Layout mitnichten hinter denen der "BO-Schule"
zu verstecken.
Die Widmung des Buches gilt den unbekannten "wilden" PlakatkleberInnen,
durch die politische Plakate überhaupt erst ihre Wahrnehmbarkeit
in der Öffentlichkeit und ihre Mobilisierungskraft erreichen. Das
im Editorial vorgestellte Göttinger Mobilisierungsplakat "smash
capitalism - für das ende der gewalt" konnte diese Funktion
leider nicht mehr erfüllen: Am 10.9.2001 gedruckt, mußte es
einen Tag später unverbreitet wieder eingestampft werden, weil einstürzende
Hochhäuser mit dem 11. September eine etwas fragwürdige Aktualität
erhalten hatten.
"Vorwärts bis zum nieder mit" - für viele wohl auch
eine plakative Zeitreise in die eigene Vergangenheit - ist nicht nur für
alle Plakatbegeisterten eine lohnende Anschaffung. Und das trotz des nicht
ganz geringen Kaufpreises dieses Mal kein Hardcover übriggeblieben
ist, muss wohl den hohen Entstehungs- und Druckkosten eines solchen Buchprojektes
geschuldet werden.
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Martin
Raasch (raa)
Vorwärts bis zum nieder mit ...
in UnAufgefordert (StudentInnenzeitung der Humboldt-Uni Berlin) Nr. 125
/ Januar 2002, S. 31
"Wie
gestalten wir unser leben in einer Welt, deren Ordnung und Art von Selbstverständnis
ständig durch Bilder (oder vielmehr Kombinationen, Nebeneinanderstellungen
von Visuellem und verbalem) geformt und umgeformt wird. Wie gestalten
wir unser leben aus einer begrenzten reihe von Möglichkeiten und
wie gestalten jene unser leben, die die Macht besitzen? Nur beim hartnäckigen
Insistieren auf beiden Extremen einer solchen Frage wird deutlich, dass
die Politik der Darstellung und die Darstellung der Politik untrennbar
miteinander verbunden sind."
J.E. Lundsroem
Das
Autorenkollektiv HKS 13 liefert mit dem Sammelband "Vorwärts
bis zum nieder mit" eine Dokumentation über 30 Jahre visuellen
Straßenkampf in der "unkontrollierten Bewegung". Die akribische
Sammlung knüpft thematisch an das vor zwei Jahren erscheine Buch
"Hoch die Kampf dem" an, das sich dem autonomen Plakat widmete.
Der thematischen Erweiterung verdankt das Buch ein breiteres Themenspektrum.
Erhellend ist das Kapitel "Die Erde von unseren Kindern nur geborgt",
in dem die politische Entleerung der Grünen dokumentiert ist. Die
umfangreiche Dokumentation des Solidaritätsplakates nimmt im Begleittext
auf der nach dem 11. September aktuell gewordenen Instrumentalisierung
Bezug. Auch die derzeitige Antisemitismus-Debatte findet ihr Kapitel.
Ebenfalls bemerkenswert: Ein Gespräch mit Gerdi Foss, Gründungsmitglied
von AGIT-Druck, einer mittlerweile kommerziellen Druckerei, die mit der
Reproduktion heikler politischer Schriften in die APO-Annalen eingegangen
sind. Neben einem Kapitel über Gestaltungsregeln für politische
Plakate findet sich im Buch eine CD-Rom mit über 8.000 Plakaten,
die sich sauber nach Schlagworten durchsuchen lässt.
Eine gigantische Arbeit mit hohem inhaltlichen Anspruch, die den deutlichen
Qualitätssprung der autonomen Szene in ihrer visuellen Selbstdarstellung
dokumentiert
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Michael
Schäfer
Marx, Engels und Lenin selbdritt / "vorwärts bis zum nieder
mit": 30 Jahre Polit-Plakate
Göttinger Tageblatt vom 16.1.2002
Wenn
es nur lange genug her ist, wird aus allem Nostalgie. Das ist bei der
eigenen Jugend der fall, bei der Erinnerung an die goldenen Zeiten der
DDR - und auch bei etlichen politischen Plakaten, über die sich Menschen
aus vielerlei Gründen erregt haben. Die einen, weil sie die dort
angepeilten Ziele nicht erreicht haben, die anderen, weil sie diese Ziele
schon immer für ideologisch völlig falsch gehalten haben.
"vorwärts bis zum nieder mit" heißt - nicht ohne
Selbstironie - das neu erschiene Buch, das Plakate aus 30 Jahren "unkontrollierter
Bewegungen" vorstellt. Erscheinen ist es in der Verlagsgruppe "Assoziation
A", an der auch der verlag des Göttinger Buchladens Rote Strasse
beteiligt ist. Das thematische Spektrum reicht von außerparlamentarischer
Opposition längst vergangener CDU-SPD-Koalitionen über Lesben
und Schwule, Punk und Pop, Sport, die Hausbesetzerszene und diverse Solidaritätsaktionen
bis zu Anti-AKW-, Anti-Globalisierung- und zahlreichen weiteren Anti-Kampagnen.
Hier und da grüßt ein vertrautes Motiv, das Klaus Staeck gestaltet
hat, und ältere zeitgenossen werden sich auch an das legendäre
SDS-Plakat erinnern, in dem Marx, Engels, und Lenin 1968 selbdritt die
Bundesbahn-Werbung "Alle reden vom Wetter. Wir nicht" höchst
wirkungsvoll persiflieren.
Bildersaal
der Geschichte
Der Band - Fortsetzung des vor zwei Jahren im selben Verlag erschienen
Werkes "hoch die kampf dem" mit Plakaten aus 20 Jahren autonomer
Bewegungen - ist aber nicht nur ein Bildersaal zur Geschichte der vergangenen
30 Jahre aus linkem Blickwinkel. Er liefert darüber hinaus in zahlreichen
Aufsätzen aufschlussreiche politische und ästhetische Analyen
und Interpretationen bis hin zu einem "kleinen Leitfaden zur Gestaltung
und Betrachtung von Plakaten" zweier freier Garfiker, die als Rainer
M. und Sandy K. zeichnen.
Zu einem umfassenden Archiv wird die Edition dank einer beigelegten CD-Rom,
auf der mehr als 8.300 (kein Druckfehler: achttausenddreihundert) politische
Plakate archiviert sind. "Vorwärts bis zum nieder mit"
ist ein spannendes Buch für politische wache Zeitgenossen, ein Blick
zurück (und nach vorn) mit und ohne Zorn.
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Ohne
Namen
vorwärts bis zum nieder mit
18.06.2002, 17:51, Links/Rhein, Medien | Konstanz | Veranstaltung
Etwa
25 Leute kamen gestern Abend in die Studiobühne an der Uni Konstanz
um Markus Mohr bei seinem Dia-Vortrag über 30 Jahre nicht nur autonomer
Plakatkunst in Deutschland zu lauschen Bei dem vorwiegend studentischen
Publikum war die Konstanzer Linke deutlich unterrepräsentiert. Als
Veranstalter traten der Kultur-AK des AstA sowie die Infogruppe B²
auf. Die Berliner Gruppe HKS13 (der Name stammt von der Bezeichnung der
Drucker für das auf linken Plakaten typischerweise vorkommende Rot)
sammelte in jahrelanger Kleinarbeit ca. 8500 Plakate, fotografierte sie,
recherchierte den Entstehungskontext und veröffentlichte Teile davon
vor 2 Jahren in dem Buch "hoch die kampf
den - 20 Jahre Plakate autonomer Bewegung".
In ihrem neuen Buch "vorwärts bis zum nieder mit - 30 Jahre
Plakate unkontrollierter Bewegung" wurde sowohl der inhaltliche als
auch der zeitliche Fokus erweitert. Es sind nun Plakate bis zurück
zur Studentenrevolte (ab Ende der 60er Jahre) enthalten und der thematische
Kreis wurde auf sämtliche linken emanzipatorischen Gruppen ausgedehnt.
Die Produktionsbedingungen für dieses "größte Plakatarchiv
im deutschsprachigen Raum" waren, wie der Referent versicherte, bescheiden:
die Plakate wurden mit einer selbstgebastelten Saugvorrichtung an einer
Stellwand fixiert und mit einer Spiegelreflexkamera und einer Digitalkamera
abfotografiert.
Das von der HKS 13 herausgegebene Buch (s.u.) bildet mit 800 Farbfotos
zwar nur einen Bruchteil der Plakate ab (die restlichen Fotos werden in
Form von komprimierten und teilweise nicht mehr leserlichen Bildern auf
CD mitgeliefert), aber dessen eigentliche Stärke liegt eh woanders.
In gut zwei dutzend Artikel versuchen unterschiedliche Autoren unter Themen
wie die Gewalt- und Militanzfrage, Antisemitismus auf Plakaten und Plakate
gegen Antisemitismus, Häuserkampf, K-Gruppen, die Entwicklung der
Grünen etc. die fast unüberschaubar grosse Plakatmenge zu strukturieren,
ihren politischen Kontext zu rekonstruieren und kritisch zu diskutieren.
Ähnlich war auch der Vortrag von Markus Mohr aufgebaut. In seinem
nicht unkomischen und mitunter selbstironischen Streifzug durch linke
Plakatkunst demonstrierte er anschaulich, mit welchen grafischen Mitteln
und welcher Bildersprache die z.T. sehr heterogenen Bewegungen mit unterschiedlichem
Erfolg versucht haben, die Öffentlichkeit zu erreichen. Dort wo die
Gruppe die PlakatentwerferInnen ausfindig machen konnte, hatte sich manchmal
herausgestellt, wie sehr die Interpretation eines Plakats von der Intention
der AutorInnen abweichen kann. Und lange nicht alle Plakate die vor 20
oder 30 Jahren geklebt wurden, würden mit den Aussagen, die sie transportieren,
heute noch als politisch korrekt durchgehen. So ist heute kaum mehr angesagt,
sich auf ein "Volk" oder eine nationale Befreiungsbewegung zu
beziehen, was in den 70er Jahren in der antiimperialistischen Szene ja
durchaus verbreitet war. Als krass negatives Beispiel wurde auch ein Plakat
der Palästinasolibewegung von 1989 gezeigt, das Hitler neben dem
israelischen Premierminister Begin über dem Text "Wir wollen
Faschismus" zeigt. Darüber hinaus sprach sich Markus Mohr grundsätzlich
dafür aus, Anschlussflächen für Antisemitismus oder Aussagen,
die auch Rechte ansprechen, auf Plakaten zu meiden.
Es gab und gibt durchaus viele Gründe gegen Atomkraftwerke zu sein
(konservativ bis links, Umweltschutz bis Antirepression), was sich eben
auch in den Plakaten der Antiatombewegung widerspiegelt. Nicht immer ist
erkennbar, dass ein Plakat ein linkes Plakat ist. Ein schlechtes Plakat
ist nach Markus Mohr auch eines, das zu textlastig ist. Die Leute wollten
eben nicht einen langen Text lesen, wenn sie vor einem Plakat stehen.
Ausschlaggebend für die Qualität sei letztendlich jedoch immer
die Mobilisierungsfähigkeit eines Plakats, und nicht die aufwändige
Technik seiner Herstellung. Und gerade Plakate, die mit einfachsten Mitteln
(ohne PC-Einsatz) hergetellt wurden, können eine hohe Ausdruckskraft
besitzen.
Als letztes Plakat zeigte Markus Mohr ein aktuelles Plakat der Antiglobalisierungsbewegung,
mit dem tot am Boden liegenden Carlo Guiliano und dem Schriftzug "Mörder!
Kapitalismus tötet" Dieses Plakat vermittle keine Idee von Solidarität
und sei somit eigentlich schlecht gelungen. Als Benneton Plakat wäre
es möglicherweise ausgezeichnet. Dem wurde in der unmittelbar darauf
folgenden Diskussion teils zugestimmt, teils widersprochen. Insbesondere
wurde bemerkt, das der Verweis auf Benetton trägt nicht, da die Motive
der Benetton Werbung ihres Kontextes entledigt sind, was ja bei diesem
Genua-Soliplakat keineswegs der Fall ist. Diese gelungene und kurzweilige
Veranstaltung hätte schon ein paar mehr Leute - vor allem aus der
Konstanzer Linken - verdient gehabt.
Ich denke zwar, dass neue elektronische Medien heute zunehmend wichtig
sind für die Mobilisierung zu Veranstaltungen, das heißt aber
nicht, dass Plakate ausgedient hätten. Sie spielen auch weiterhin
eine bedeutenden Rolle bei Mobilisierungen und in Besitznahme von öffentlichem
Raum.
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Ohne
Namen
Vorwärts bis zum nieder mit ...
Phase 2 (Zeitschrift gegen die Realität / Leipzig) Nr. 4 / Mai 2002
Sei
hiermit allen Plakatwütigen ans Herz gelegt. Im vergleich zum an
den Plakaten der autonomen Bewegung in den 80er und 90er Jahren orientierten
"hoch die kampf dem - 20 Jahre Plakate autonomer Bewegungen"
hat sich der Nashfolgeband von der Enge des deutsch-autonomen Alltags
gelöst und auch den begriff des politischen Plakates etwas weiter
gefasst. Das Buch ist mit Liebe gestaltet und randvoll mit Kunst und linker
Geschichte der letzten 30 Jahre. Leserinnen und PlakatgestalterInnen denen
das noch nicht genug ist, finden auf der beigelegten CD mit über
8000 Plakaten massenhaft anregendes Material.
Neben eher analytischen Aufsätzen wie einem Text zu Antisemitismus
enthält das Buch auch Bauanleitungen für Plastikästhetik,
Punk und Pop-Plakate und Werbeplakate für Lesebenpartys. Nicht alle
Abbildungen sind ein Augenschmaus: die meisten Plakate der ML-Bewegung
kommen mit eher hölzerner Ästhetik daher und auch die Grünen
finden sich wohl eher im Buch wieder um durch den Kakao gezogen zu werden.
Das Kapitel Eine andere Welt ist möglich ... andere Plakate nur teilweise,
knöpft sich die Erzeugnisse der Antiglobalisierungsbewegung vor.
"By any means necessary" - Ein plakativer Streifzug durch Gewalt
und Militanz auf Plakaten unterzieht die unterschiedlichen Darstellung
von Militanz einer Bewertung. Das letzte Kapitel widmet sich in einem
schnellen Streifzug der internationalen Plakatszene und hätte das
AutorInnenkollektiv nicht schon angedroht, wegen Arbeitsüberlastung
und Finanzmangel keinen weiteren Band herauszubringen, könnten die
Fans schon auf die Komplettierung ihrer Sammlung durch ein internationales
Plakatbuch hoffen
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Tobias
Nagl
Visionen unkontrollierter Bewegungen
Präsentation im Schanzenbuchladen: Das Plakatbuch "Vorwärts
bis zum nieder mit"
taz Hamburg vom 5.3.2002, Seite 23
Autonome
plakatierten gern und häufig: in Autonomen Jugendzentren, besetzten
Häusern oder - während der schlimmsten Hochzeiten der Alternativbewegung
- auch schon mal in der WG-Küche oder über dem eigenen Futon.
Verstand sich die Bewegung eben immer auch als Subkultur, die nicht zuletzt
mit der alten Forderung rang, das Private zu politisieren. So wie die
Trennung gesellschaftlicher Sphären tendenziell im Postfordismus
aufgehoben - und kein bisschen emanzipatorisch - ist, wirken manche der
in dem Band Vorwärts bis zum nieder mit versammelten Plakate wie
enorm verspätete Echos aus einer längst vergangenen Zeit.
Wie die Geschichte eines jeden Keingärtnervereins ließe sich
so auch eine Geschichte der Autonomen und anderer "unkontrollierter
Bewegungen" der letzten 30 Jahre schreiben. Und genauso leicht endete
ein derartiges Unterfangen in der kulturpessimistischen Musealisierung
- diverse Historiker der 68er-Revolte haben es vorgemacht. Trotz Coffetable-Book-Qualitäten
gehen die Plakatarchivare um das Druckerkollektiv HKS 13 wohltuend anders
vor. Ihnen geht es weder um die möglichst geräuschvolle Verabschiedung
radikaler linker Positionen noch um eine Nostalgie, die die eigene Weiterexistenz
zum politischen Sieg verbrämt, ohne veränderte Rahmenbedingungen
anzuerkennen. Vor zwei Jahren versammelten sie in Hoch die kampf dem Exponate
aus "20 Jahren autonomer Bewegungen" zu einer Mentalitäts-
und Kulturgeschichte, die mit dem eigenen Lager hart ins Gericht ging.
Vom Kifferkitsch der späten 70er Jahre über kindliche Verniedlungsstragien
bei der Anti-Repressionsarbeit bis hin zum Proletkult-Kult mancher Antifas
untersuchten sie linksradikale Plakate auf übersehene Bedeutungen,
Verkürzungen und Projektionen - mit einer destruktiven Lust, für
die nicht nur Bakunin, sondern auch Roland Barthes Pate gestanden haben
muss.
Mit Vorwärts bis zum nieder mit erweitern die sammelwütigen
Semiotiker das Spektrum in zweierlei Hinsicht: Die frühesten Plakate
stammen aus der Apo-Frühphase Anfang der 60er Jahre; der Untertitel
"unkontrollierte Bewegungen" verweist auf das Ziel, sich nicht
auf die Plakate der Autonomen allein zu beschränken. Neben Plakaten
der Chile-Solidarität oder Anti-Apartheid-Bewegung, finden sich Kapitel
zu den Bilderwelten der Grünen und der maoistischen K-Gruppen. Aber
auch die Repräsentationsstrategien und Probleme der lesbischen und
schwulen Bewegungen der Gegenwart werden einer Untersuchung unterzogen.
Eine beigelegte CD-Rom hält über 8000 Abbildungen zum Selbststudium
bereit; ein weiterer Beitrag gibt praktische Nachhilfe in Sachen Grafikdesign.
In den besten Momenten gelingt es den analytischeren Texten des Bandes,
die Geschichte der Linken und die Geschichte eines "linken Imaginären"
durch die Plakate hindurch zu schreiben, in den schwächeren Momenten
reihen sich Organisationsgeschichte und Gestaltungsstrategien bloß
additiv; das Visuelle erscheint als Aufhänger für eine eigentliche
Geschichte, die auch ohne ihre Plakate hätte stattfinden können.
Heute, 20 Uhr, Buchladen im Schanzenviertel (Schulterblatt 55)
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marius
schiffer
30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen / Plakatbuch die Zweite
Bochumer Stadt- & Studierendenzeitung - bsz / Juni 2002
1999
gab die Gruppe HKS 13 das Plakatbuch "Hoch die Kampf dem" heraus,
in dem Plakate autonomer Bewegungen aus einem Zeitraum von 20 Jahren präsentiert
wurden. Nun liegt nach zwei Jahren intensiver Arbeit die Fortsetzung vor.
Die HerausgeberInnen erweiterten den Blickwinkel sowohl thematisch als
auch zeitlich. So lautet der jetzige Untertitel "30 Jahre Plakate
unkontrollierter Bewegungen".
Die einzelnen Aufsätze beschäftigen sich mit der Außerparlamentarischen
Opposition (APO), den
K-Gruppen, der Schwulen- und der Lesbenbewegung, Gentechnik, Musik, Chile-Solidarität,
Anti-Apartheid, Knast und Isolation. Auf die Grünen, die sich längst
von jeder emanzipatorischen Bewegung entfernt haben, wirft Markus Mohr
ein wenig schmeichelhaftes Schlaglicht und in einem abschließenden
Artikel wird über den eigenen (deutschen) Tellerrand auf "politische
Plakate anderswo" geblickt. Um die dominierende Präsentationsperspektive
der großen Städte Hamburg, Berlin und Frankfurt in Ansätzen
zu durchbrechen, werden jeweils die politische Plakatkultur in Düsseldorf,
Hannover und Nürnberg dargestellt. Ergänzt wird dieses Spektrum
durch Beiträge zu Gewalt und Militanz sowie der optischen Symbolisierung
des Begriffs Solidarität in Plakaten der Linken. Zudem werden Impulse
zur Plakat-Praxis beigesteuert: ein kleiner Leitfaden zur Herstellung
und Betrachtung von Plakaten, zur Imagebeschmutzung von der autonomen
a.f.r.i.k.a.-gruppe (Handbuch der Kommunikationsguerilla), Siebdruck der
Gruppe blutdruck aus Bremen. (...) Besonders hervorzuheben sind die Beiträge
von Dario Azzellini zur sogenannten "Antiglobalisierungsbewegung"
und zu Antisemitismus von Elfriede Müller, die unabhängig von
der vorliegenden Veröffentlichung lesenswert sind.
Die Kritik, in den Beiträgen werde insgesamt zu wenig Bezug auf die
Motive genommen (vgl. Rezension von hmk in 2313, Nr.28), lässt sich
für das zweite Plakatbuch nicht aufrechterhalten. Von Ausnahmen abgesehen
harmonieren die Grafiken mit den Inhalten der Texte. Die Aufmachung des
Buches lässt erneut kaum zu wünschen übrig; lediglich bei
den sehr textlastigen Plakaten ist eine Lupe vonnöten. Schade nur
(zumindest für die Bibliophilen unter euch), dass es diesmal nicht
zu einem Festeinband gereicht hat wie bei Plakatbuch Nr. 1.
Unter den mehr als 800 im Buch abgedruckten Plakaten dürfte so ziemlich
jedeR Linke das ein oder andere entdecken, das ihm/ihr bekannt ist (so
finden sich aus Bochum der Flyer der Genua-Soli-Party im KuCa Ende September
2001, S.44, und das LiLi-Wahlplakat von 1998, das fälschlicherweise
Frankfurt als Ort angibt, S.117). Die beiliegende CD-ROM enthält
ca. weitere 7.200 (!) digitalisierte Plakate im JPEG-Format. Darin sind
auch sämtliche Bilddateien der CD-ROM des ersten Buches inbegriffen.
Insofern erscheint die Annahme der HerausgeberInnen, der Leser, die Leserin
halte mit dieser CD-ROM das "größte elektronische Plakatarchiv
im deutschsprachigen Raum in den Händen", keineswegs vermessen.
Und dies für einen mehr als fairen Preis von rund 50,- DM. So ist
jedeR eingeladen, anhand der Materialfülle, die sich über ein
Suchprogramm gut erschließen lässt, die eigene Geschichte Revue
passieren zu lassen, Ideen für eigene Plakate zu suchen, nachdenkliche
und amüsante Momente zu erleben oder einfach zu stöbern.
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Joachim
Schneider
Das Poster zum Kampf
Badische Zeitung vom Dienstag, 18. Juni 2002
Die
Ausstellung "vorwärts bis zum nieder mit - 30 Jahre Plakate
unkontrollierter Bewegungen"
Gedacht sind sie für den Moment. Flüchtig hingeklebt, hängen
sie manchmal nur einen Tag an Mauern, Stromkästen, Telefonhäuschen,
in Kneipen - einige schaffen es bis in die WG übern Küchentisch:
Das politische Plakat dient zur Kommunikation, zur Propaganda, zur Mobilisierung.
Es ist Ausdruck der Selbstdarstellung, das Poster zum Engagement versteht
sich stets auch als Teil der Subkultur. Das Buch "vorwärts bis
zum nieder mit" mit CD-ROM dokumentiert Plakate "unkontrollierter
Bewegungen" in Deutschland aus drei Jahrzehnten, von der Schwul-Lesben-Bewegung
bis zur Anti-Globalisierung von "Rock gegen Rechts" bis zu "Stammheim".
Unter gleichem Titel zeigt das Archiv für Soziale Bewegungen in Freiburg
eine Ausstellung mit lokalen Exponaten, zur Eröffnung halten Markus
Mohr und Klaus Viehman vom Herausgeberkollektiv HKS 13 heute einen Dia-Vortrag.
Das Freiburger Archiv wurde Anfang der 80er-Jahre gegründet, seit
damals sammelt es neben Zeitschriften und Dokumenten auch Plakate. Gut
2000 Stück lagern in Schubläden oder digitalisiert auf der Festplatte,
zählt man die kleineren DIN-A3-Formate mit - von den heftgroßen
Blättern ganz zu schweigen. Fast ein Zehntel der 8300 Exemplare,
die auf der CD-ROM verewigt sind, stammt aus dem Südwesten. "Gemessen
an der Einwohnerzahl gibt es hier eine ungeheure Plakat-Produktion",
sagt Volkmar Vogt vom hiesigen Archiv.
Die ästhetische Entwicklung in den Metropolen wie Berlin, Hamburg
oder Frankfurt schwappte auch in die Provinz. Hochkopierte, mit Schreibmaschine
voll geschriebene Blätter, dazu wenige dokumentarische Fotos, erinnern
an alte Flugschriften und hielten sich bis in die Zeiten der Anti-Wyhl-Bewegung.
Schon seit Ende der 60er gab es immer auch Ausnahmen, aber damals vertrauten
politische Plakate noch auf das Wort und verlangten damit vom Betrachter,
dass er sich Zeit nimmt und liest. Aufklärung, Kritik stand im Vordergrund.
Längst arbeitet die Werbeindustrie mit subkulturellen Tabubrüchen
Mittlerweile setzen Plakate fast ausschließlich auf die Macht des
Bildes, zum einen auf die Visualisierung von Identifikationsmustern, zum
anderen auf Provokation, den Angriff auf staatliche, institutionelle und
etablierte Symbole. Mit dem Computer ergaben sich technische und gestalterische
Möglichkeiten, die denen der professionellen Designer in nichts mehr
nachstehen - und andererseits arbeitet die Werbeindustrie inzwischen mit
linken und subkulturellen Begriffen, Tabubrüchen und Provokationen:
Eine Unterscheidung der Form ist kaum mehr möglich, die Abgrenzung
von Oberflächen gestaltet sich schwierig; es sei denn man greift
auf die Self-made-Trash-Ästhetik der 80er zurück und setzt sich
dem Vorwurf der Geschichtsseligkeit aus. Bleibt nur der Inhalt, falls
sich der überhaupt von der Form abstrahieren lässt. Während
Internationale Solidarität, Häuserkampf, die Anti-KKW-Bewegung
und Anti-Militarismus in den 80ern die vorherrschenden Sujets waren, gibt
es heute kein dominantes Thema mehr, ein Feind auf der anderen Seite ist
nur noch selten (an)greifbar. Dort die graue, übermächtige Industrie,
hier die kleinen, putzigen Bauern, solche Schwarzweißmalerei in
Bunt entlockt dem heutigen Betrachter nur noch ein Lächeln. Und doch:
Das Plakat hält sich weiterhin wacker. Mehr aufs Ereignis bezogen
als früher, muss es sich es ständig ein neues Zielpublikum suchen.
Dabei ist ein Unterschied zu früher eklatant: Der öffentliche
Raum ist umkämpfter denn je.
- Ausstellungseröffnung mit Vortrag heute um 20 Uhr im Freiburger
Jos Fritz Café, Wilhelmstr. 15. Anschließend spielt die Garagenrockband
The Cockroaches.
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Michael
Gassmann
Der Kampf der Schönheit mit der Politik / Die BRD und ihr Protestplakat:
Eine Ausstellung in Freiburg
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.06.2002, Seite 46
Wenn
man einmal das Wirken des Zahns der Zeit dort beobachten möchte,
wo er viele Tränen getrocknet hat und über Wunden Gras wachsen
ließ, dann sollte man Freiburgs Viertel "Im Grün"
besuchen. Hier tobte einst der Häuserkampf. Heute findet man noch
gelegentlich an den Wänden Kleinstplakate, die vor Bespitzelung durch
die "Bullen" warnen, aber sonst ist es ruhig. Sehr ruhig, was
nicht zuletzt an dem Altersheim liegt, das man dort gebaut hat.
Die Senioren teilen sich das Areal mit einer selbstverwalteten Kommune,
die in einer ehemaligen Fabrik zusammen mit freien Kulturinitiativen untergekommen
ist. Anfang der Achtziger trennten hier Natodrahtrollen die Reviere ab.
Am heftigsten umkämpft war die Wilhelmstraße, deren Haus Nummer
36 als "Willy 36" zum Symbol des Kampfes gegen die Spekulanten
wurde. Auf dem Balkon soll sein letzter Bewohner rauchend das muntere
Treiben auf der Straße beobachtet haben. Dabei hatte er auch eine
Freiburger Institution auf der anderen Straßenseite im Blick: Jos
Fritz, Buchhandlung und Café und heute noch Kraftzentrum des Viertels.
Dort ist zur Zeit eine kleine Ausstellung zu sehen, die von einer Publikation
des Berliner Verlags "Assoziation A" inspiriert wurde: "vorwärts
bis zum nieder mit - dreißig Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen".
Organisiert wurde sie vom Freiburger Archiv für soziale Bewegungen,
das direkt gegenüber dem Café in der "Spechtpassage"
seinen romantischen Sitz hat. Das gleichnamige Buch, das der Schau den
Anlaß bietet, ist alles andere als unkontrolliert, sondern vereinigt
in erstklassiger Reproduktion und im ordnenden Rahmen einer Fülle
von Textbeiträgen Plakate von außerparlamentarischen, Antifa-,
Antira-, Schwulen-, Lesben-, Frauenbewegungs-, Anti-AKW-, ökologisch-alternativen
und diversen K-Gruppen. Auf einer beiliegenden CD-Rom sind überdies
weit mehr als achttausend Plakate gespeichert. Es war also ziemlich viel
los in der BRD. Daß mehr los war als ist, kann man auch dem Tonfall
der Beiträge entnehmen, der bei den zahlreichen Autoren zwischen
mildem Spott, sanfter Ironie, gelegentlich auch verglimmender Kampfphrasenbildung
changiert.
Immerhin aber enthält der Band auch eine Anleitung zur Gestaltung
guter Plakate, damit es weitergehen kann. Wer die Ausstellung im Halbdunkel
des Cafés betrachtet und das Buch durchblättert, stellt fest,
daß diese auch dringend nötig ist. Denn aus der Masse der Produktion
ragen nur wenige schöne und intelligente heraus. Viele Plakate quellen
über vor Text, dessen Schriftgröße sich nicht unbedingt
an der Bedeutungshierarchie orientiert. Amateurfotos sollen Authentizität
verbürgen. Die Blätter sind vollgestopft mit Emblemen der verschiedensten
Gruppen, geballten Fäusten oder Äxten zum Beispiel. Das Ergebnis
ist meist völlige Unübersichtlichkeit. Dieser vernichtende ästhetische
Befund betrifft das Posterschaffen aller Gruppierungen. Man kann diese
Plakate natürlich als Kampfansage an die "bürgerliche Ästhetik"
interpretieren. Man kann sie aber auch als Ausdruck mangelnder Reflexion
betrachten - darüber, was überhaupt mit einem Plakat erreicht
werden kann und an wen es sich richtet.
Wer Plakate klebt, wendet sich üblicherweise an eine Öffentlichkeit,
die er bislang nicht erreicht hat. Plakatierte Manifeste (Kampf dem. .
., Nieder mit. . .) richten sich an einen Personenkreis, der ohnehin schon
der gleichen Meinung und in der Regel bereits informiert ist. Sie scheinen
um etwas zu werben, kanzeln aber letztlich ab. Damit spiegeln sie die
Situation einer Szene, die zur Weltrevolution will, aber in - häufig
verfeindeten - Grüppchen operiert.
Gute Plakate spielen mit Assoziationen - entweder um eine einfache Botschaft
komplex erscheinen zu lassen oder um eine komplexe Botschaft vereinfacht
übermitteln zu können. Solange Protestplakate zum Zwecke der
Image-Beschmutzung professionelle Werbung instrumentalisieren, indem sie
deren Plakate verfremden (wie es mit der Lufthansa-Werbung zum Protest
gegen Abschiebungen geschah), profitieren sie auch vom Geschick der angefeindeten
Werbung. Sind sie auf sich gestellt, ist das Verhältnis von Botschaft
und graphischer Umsetzung meist eins zu eins: So simpel wie es dort steht,
ist es auch gemeint. Bei der Parole "Tod dem Kapitalismus" denkt
man eben nicht an die vielen Facetten der komplexen Lebenswirklichkeit.
Jos-Fritz-Café,
Wilhelmstraße 15, bis Anfang Juli
zum
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Klaus
Viehmann
Anplacken!
Freitag / Die Ost-West-Wochenzeitung 23.8.2002
Politische
Plakate und ihre Geschichten Die kleine Gruppe HKS 13, benannt nach der
im Druckgewerbe üblichen Bezeichnung für eine knallrote Offsetfarbe,
hat vor vier Jahren begonnen, Plakate politischer, autonomer und sozialer
Bewegungen zu sammeln, zu fotografieren und thematisch zu erfassen. Zunächst
glaubte HKS 13, kaum mehr als 1.000 Plakate finden zu können, doch
mittlerweile ist der Bestand auf über 9.000 aus den vergangenen 35
Jahren angewachsen. Hier eine kleine Auswahl.
Wer macht sich schon die Mühe, trockene Diskussionspapiere oder Flugblätter
von vor zehn, zwanzig Jahren nachzulesen? Und an was erinnern sie? An
endlose Streitereien um Halbsätze und faule Formulierungskompromisse.
Wie viel einfacher und erfreulicher ist es, alte Plakate anzusehen und
sich an nächtliche Rundgänge im Kiez mit Kleistereimer und Quast
zu erinnern. Manchmal mit der Sorge, beim wilden Plakatieren erwischt
zu werden, ganz sicher aber mit der Vorfreude, bei Tageslicht die Früchte
der nächtlichen Plackerei bewundern zu können. "Plakat"
kommt übrigens wirklich von "anplacken", wie ankleben.
Und wie viel schöner und interessanter ist doch eine frisch plakatierte
Mauer im Vergleich zu einer frisch getünchten! Plakate sind nur sehr
flüchtige Begleiter sozialer und politischer Bewegungen. Kaum sieht
man sie an einer Hauswand, einem Bauzaun oder einem S-Bahn-Brückenpfeiler,
schon sind sie wieder unter den aktuellen Konzerthinweisen verschwunden,
vom Regen oder eilfertigen Saubermannhänden entfernt. Die wenigsten
gilben friedlich im Lauf der Monate vor sich hin und erinnern den interessierten
Betrachter noch länger an Veranstaltungen, Aktionen oder Ereignisse
vergangener Tage. Über einen längeren Zeitraum zusammengenommen
sind sie ein visueller Speicher engagierter Praxis und (linker) Geschichte.
Die üblichen Plakatrollen unter dem Bett enthalten allerdings nur
schwer aufdrehbare Papierwürste, die beim Betrachten zusammenschnappen
und die als Plakatbeschwerer aufgelegte Kaffeetassen schnell mal auf den
Teppich befördern. Und manche Sammlungen bestehen aus der halben
Auflage eines Plakates, weil man es einfach nicht geschafft hat, sie noch
zu verteilen oder gar zu kleben - höchstens ihre unbedruckte Rückseite
ist für malwütige Kindergartenbelegschaften noch von Interesse.
Die wenigsten besorgen sich irgendwann Planschränke oder große
Mappen für ihre Plakatschätze, viel öfter wandern alte
Plakate bei Umzügen oder nach dem Ende der eigenen politischen Aktivitäten
auf den Müll. Nehmen wir die Spur der anarchisch geklebten Plakate
bis zurück in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf!
Die Poster der APO erzählen Geschichte(n), die die heutigen PlakatkleberInnen
kaum mehr kennen. Zum Beispiel diese: In der Nacht zum 4. Februar 1966
wurde von Leuten aus dem Vietnam-Arbeitskreis des SDS in sieben Berliner
Bezirken und an der Freien Universität zweifarbig gedruckte Plakate
im A2-Überformat geklebt, auf denen eine "Internationale Befreiungsfront"
auch heute noch bedenkenswerte Aussagen zur internationalen Situation
verbreitete. Leider wurden fünf PlakatkleberInnen von der Polizei
erwischt, und das löste im Berliner SDS anhaltende Debatten aus.
Von älteren SDS-Mitgliedern wurde dem Plakat "schlechter Satzbau"
vorgeworfen, und es wurde sogar überlegt, die Delinquenten aus dem
Verband auszuschließen. Auf einem danach angesetzten Jour fixe des
SDS zum Thema "Legalität und Illegalität", an dem
150 SDS-Mitglieder teilnahmen, wurde acht lange Stunden auch über
die Bedeutung jener Plakataktion diskutiert. Die Plakate der Chile-Solidarität
nach dem Militärputsch 1973 oder die der Anti-Apartheidbewegung,
der vielleicht ältesten aber auch erfolgreichsten Solidaritätsbewegung,
erzählen von den internationalistischen Anstrengungen für eine
gerechtere Welt - Vorläufer der heutigen "Anti-Globalisierungsbewegung",
deren Plakate aktuell immer wieder zu finden sind. Kritisch lässt
sich die Abbildung des in Genua getöteten Carlo Giuliani betrachten.
Sein Gesicht ist nicht erkennbar, alleingelassen liegt er vor heranstürmenden
schwer gerüsteten Polizeitruppen da. Ist solch ein Plakat wirklich
geeignet, die Hoffnungen auf eine bessere Welt und die Erinnerung an einen
- wie auch immer - von Staatsdienern erschossenen Globalisierungsgegner
darzustellen? Im Unterschied dazu das berühmte Bild vom 2. Juni 1967,
das den sterbenden, aber als Person erkennbaren und nicht alleingelassenen
Benno Ohnesorg zeigt. Zwei Plakate, zwei Tote, zwischen denen 35 Jahre
liegen. Viel subtiler agieren Plakate, die mit der Macht und Ohnmacht
der Symbole spielen. Anfang November berichtete das Stuttgarter Stadtmagazin
Lift: "War das ein Spaß! 1.500 Bundeswehrsoldaten wurden nicht
nur mit großem Bundeswehrblasorchester und Zapfenstreich aufs deutsche
Land vereidigt, sondern stilecht von drei der größten deutschen
Rockbands der neunziger Jahre begleitet. Pur spielte Wenn ich am
Boden liege, sorgst Du dafür, dass ich bald nach Kosovo fliege.
Die politisch hyperkorrekten Kölschrocker Bap sangen Verdamp
lang her, dat mir im Graben lagen, und die Scorpions spielten Wind
of Change mit der Bundeswehrtanzkapelle Günther Noris. Problem:
Nichts stimmte." Was war passiert? In jenem Herbst wollten Bundeswehr
und CDU-Landesregierung rund um das Stuttgarter Schloss 1.500 Rekruten
öffentlich geloben lassen. Die GelöbnisgegnerInnen führten
einen regelrechten Symbolkampf, in dessen Verlauf auch ein Plakat auftauchte,
das "im Rahmen der Gelöbnisfeier" ein Open-Air-Freiluftkonzert
von Pur, Scorpions und Bap ankündigte. Als Veranstalter wurden der
SWR 3, die Stadt Stuttgart und die Bundeswehr genannt, der Eintritt sollte
frei sein. Das Plakat machte Furore und der Staatsapparat vermutete eine
"perfide Taktik der Autonomen": Sie würden versuchen, eine
große Zahl harmloser Schlagerfans anzulocken, um dann aus dieser
Menschenansammlung heraus gewalttätige Angriffe zu unternehmen. Dieses
Plakat und weitere Fake-Aktionen trieben die Gelöbniskosten auf 500.000
Mark und die Stuttgarter Nachrichten vom 19.10.1999 zitierten erboste
Zuschauer: "Man könne nicht vom öffentlichen Gelöbnis
sprechen und die Zuschauer dann 100 Meter hinter Absperrungen verbannen".
Ein gelungener Fake kann wirkungsvoll mit falschen Informationen wahre
Ereignisse provozieren. Viele Plakate werben allerdings für sehr
reale Musikveranstaltungen und Parties, und gerade die der Schwulen- oder
Lesben-Bewegung haben oft einen politischen Subtext, da sie sich immer
Orte schaffen müssen, die jenseits der heteronormalen einen (Frei)Raum
für eigene kulturelle und politische Praxenbilden. Die Plakatgeschichten
dieser Bewegungen unterschieden sich oft deutlich in der Gestaltung und
den Parolen von denen der (heterosexuellen) linken oder sozialen Bewegungen.
Das reicht von Aufrufen gegen den Paragraphen 218 bis hin zu Queer-Parties
in einem angesagten Club wie dem SO 36 in Berlin-Kreuzberg. Ganz anders
die Plakate der Marxismus-Leninismus-Bewegung, die heute auch nicht unbedingt
schöner wirken als vor 30 Jahren, aber allen jüngeren Menschen
zeigen, was ihnen im heutigen Straßenbild erspart bleibt. Solche
Plakate sind in privaten Sammlungen übrigens nur schwer zu finden,
da die meisten alten ML-AktivistInnen ihre Vergangenheit samt Plakaten
rückstandslos entsorgt haben ... Auch die heutigen Grünen werden
kaum Interesse daran haben, ihre eigenen alten Plakate heute noch vorgehalten
zu bekommen - allzu deutlich lassen sie den Verfall der pazifistischen
und ökologischen Ideale erkennen. Zwischen ihrer plakativen Abrüstungsforderung
und dem "Drei Liter Panzer" liegen 20 Jahre und ein steiler
Abstieg. (Wobei das Plakat zum "Drei Liter Panzer" wie alle
guten Fakes so treffend ist, dass es kaum als eine Fälschung auffällt).
Bleibt zu hoffen, dass in Zukunft auch dann gute Plakate gemacht werden,
wenn die Politik nicht ganz so gut oder weit sein sollte. Auf dass wir
mit offenen Augen durch die Straßen gehen und uns an sinnvoll plakatierten
Wänden erfreuen können.
Der
Band enthält 800 vierfarbig abgebildete Plakate von den 1960er Jahren
bis zur Gegenwart und eine CD-ROM mit insgesamt 8.300 Bilddateien (Verlag
Assoziation A, 288 S., 25,50 Euro). - Ein erstes von HKS 13 herausgegebenes
Plakatbuch hoch die kampf dem mit Plakaten der achtziger und neunziger
Jahre ist mittlerweile vergriffen.
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